Eine Billion Dollar
den Hörer an sich, und der Zeigefinger der anderen Hand wählte. Mit angehaltenem Atem lauschte er den Wählgeräuschen, dem Tuten, hörte wie es knackte, als abgenommen wurde. »Paul Siegel«, kam die vertraute Stimme, und er wollte schon drauflosreden, nur dass ihm nichts einfiel, was er hätte sagen können, nicht einmal, seinen eigenen Namen zu sagen, und dann merkte er auch schon, dass er nur den Anrufbeantworter erwischt hatte. »Ich bin zurzeit auf einer Auslandsreise, aber ich freue mich trotzdem, dass Sie anrufen. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen, Ihre Nachricht und gegebenenfalls Ihre Rufnummer nach dem Pieps, damit ich Sie nach meiner Rückkehr unverzüglich zurückrufen kann. Vielen Dank und bis bald.«
Es piepste. »Paul?« Seine Stimme fühlte sich merkwürdig an. Als hätte er eine Halsoperation hinter sich. »Paul, hier ist John. John Fontanelli. Falls du doch da bist, bitte nimm ab, es ist dringend.« Vielleicht kam er gerade in diesem Moment durch die Tür, atemlos, Koffer und Handgepäck schleppend, wer konnte das wissen? Nestelte gerade mit seinen Schlüsseln herum, während er drinnen den Apparat reden hörte? »Bitte ruf mich an, so schnell wie möglich. Ich bin ziemlich am Durchdrehen… Es ist was total Verrücktes passiert, und ich könnte einen Rat von dir brauchen. Was machst du im Ausland, ausgerechnet heute, verdammt? Ach so, ja – ich bin im Waldorf Astoria Hotel. Die Nummer hab ich vergessen –«
Der zweite Pieps kappte die Leitung. John legte behutsam auf, wischte noch einmal mit der Hand über den Hörer, der schweißnass glänzte, ließ sich nach hinten in die Kissen sinken, und dann wusste er nichts mehr.
3
Marvin Copeland hörte einige Tage nichts von John. Dann kam eine Ansichtskarte. Eine Ansichtskarte von New York.
Ich habe tatsächlich geerbt, schrieb John, und nicht einmal wenig. Aber das erzähle ich dir alles das nächste Mal. Muss erst mal einige Zeit verreisen – geschäftlich. Ich melde mich, versprochen – ich weiß nur noch nicht, wann. Gruß, John.
Die Ansichtskarte zeigte die Freiheitsstatue, das World Trade Center, die Brooklyn Bridge und das Museum of Modern Arts. Etwas kleiner und mit einem anderen Kugelschreiber war am Rand dazugekritzelt: In den nächsten Tagen kommen ein paar Leute von einer Spedition. Bitte zeig ihnen mein Zimmer und lass sie alles einpacken; das geht in Ordnung.
»Und die Miete?«, murrte Marvin und drehte die Karte noch ein paar Mal hin und her, ohne weitere Nachrichten zu entdecken. »Was ist mit der Miete?«
Er hätte sich keine Sorgen machen zu brauchen, denn die drei Kleiderschränke, die ein paar Tage später auftauchten, händigten ihm einen Briefumschlag aus, in dem reichliche drei Monatsmieten in großen Scheinen steckten und eine kurze Notiz in Johns Handschrift: Ich melde mich, sobald ich durchblicke, was hier gespielt wird. Halt mir das Zimmer solange frei, O.K. ? John.
»Nur hereinspaziert«, lotste Marvin die muskulösen Männer in Johns Zimmer. Sie schienen ein wenig enttäuscht zu sein, dass es keine Klaviere zu transportieren gab, nicht einmal Möbel, nur ein paar Kartons voll Klamotten, Bücher und Malutensilien. »Wohin geht übrigens die Reise?«
»Ist ein Überseetransport,« sagte der Mann, der die Vollmacht hatte. Er streckte ihm sein Klemmbrett hin. Auf den Papieren stand ›Florenz, ltalien‹.
Florenz, Italien.
John spähte fasziniert aus den engen, beschlagenen Bullaugen des ausrollenden Flugzeuges hinaus auf den Flughafen, der im Sonnenlicht flirrte. Peretola Aeroporto war an einem der Gebäude zu lesen. In Florenz war es früher Morgen.
Sie hatten einen Nachtflug gehabt, an die zehn oder elf Stunden, er war durcheinander gekommen mit den verschiedenen Ortszeiten und Sommerzeiten. Und selbstverständlich erster Klasse. Zwei Reihen weiter vorn hatte er ein Gesicht entdeckt, das ihm bekannt vorgekommen war. Es war ein leichter Schock gewesen, als ihm einfiel, woher: Es handelte sich um einen Schauspieler, einen leibhaftigen Hollywoodstar und Oscar-Preisträger, in Begleitung seiner Frau und seines Managers. Er hatte Eduardo leise gefragt, ob er es wohl wagen dürfe, nach vorn zu gehen und den Mann um ein Autogramm zu bitten.
»Warum nicht?«, hatte Eduardo erwidert und trocken hinzugefügt: »Sie können aber auch noch zwei Wochen warten – dann kommt er und will ein Autogramm von Ihnen!«
Daraufhin hatte John sein Vorhaben aufgegeben.
Trotz der breiten Sitze und der großzügig bemessenen
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