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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Betrachtungen. Er saß da, wischte sich mit zitternden Händen übers Gesicht und murmelte etwas in seiner Muttersprache vor sich hin. »Über neunzig Prozent der Korallenriffe sind schon durch Dynamit zerstört«, brach es aus ihm heraus. »Man verbietet es ihnen. Man nimmt ihnen die Boote weg. Und sie hören und hören nicht auf damit.«
    »Ja«, nickte John. »Aber dafür muss es doch einen Grund geben.«
    »Weil sie dumm sind! Dumm, abergläubisch und dickköpfig.« Er sah wirklich fertig aus.
    John sah in die Runde. Marco blickte ihm erwartungsvoll entgegen, erwartete Anordnungen. Patricia hockte neben Benigno auf der Sitzbank und schien unschlüssig, ob sie den Arm um ihn legen sollte oder nicht. Die beiden Fischer schauten aus ihrem dümpelnden Boot zu ihm hoch, das blanke Entsetzen auf den Gesichtern.
    »Benigno«, sagte John, »ich möchte sehen, wie sie leben.«
    Der Gesandte der Regierung blickte ihn verständnislos an. »Wie sie leben?«
    »Ja. Ihr Dorf, ihre Familien, ihre sonstige Umgebung. Ich will verstehen, warum sie das tun.«
    »Wozu?«
    »Das habe ich doch gerade gesagt: Ich will verstehen, wie sie leben.«
    Der breitschultrige Filipino wollte etwas erwidern, doch dann fiel ihm wohl wieder ein, womit man ihn beauftragt hatte. »Sie leben sehr einfach. Es ist bestimmt nicht interessant für Sie.«
    »Wenn es mich interessiert, ist es doch wohl interessant für mich.«
    Er rang mit sich. »Aber das gehört nicht zu den schönen Seiten meines Landes. Die soll ich Ihnen zeigen. Nicht ein armseliges Fischerdorf.«
    »Die schönen Seiten Ihres Landes habe ich jetzt drei Wochen lang gesehen.«
    Benigno starrte aufs Deck hinab, als sei dort Faszinierendes zu sehen. »Wirklich, wir sollten sie den zuständigen Stellen übergeben und weiterfahren. Das wäre das Beste.«
    »Für die beiden sicher nicht. Und ich habe keine Lust, Polizei zu spielen.« John rieb sich das Kinn. »Aber natürlich will ich Sie zu nichts zwingen. Mein Sekretariat kann einen Dolmetscher ausfindig machen und einfliegen, das ist nur eine Sache von Stunden.« Es war gelogen, dass er ihn zu nichts zwingen wollte. Zum ersten Mal wandte er McCaines Lektionen über Macht und ihren Gebrauch bewusst und mit voller Absicht an.
    Und mit Erfolg. Benigno starrte blicklos vor sich hin. In dem Schweigen, das Johns Worten folgte, glaubte man förmlich zu hören, was er dachte. Dass er heimgeschickt werden würde. Was für eine Schande das sein würde.
    »Nein, das ist nicht nötig«, murmelte er schließlich. »Wenn Sie es gerne möchten…«
    »Danke.« John deutete zu den Fischern hin. »Sagen Sie Ihnen, was wir wollen. Dass sie uns zu ihrem Dorf führen sollen.«
    »Jetzt gleich?«, fuhr Patricia auf. »Nein, John, das können Sie nicht machen. Ich muss zurück aufs Schiff, mir das Salz aus den Haaren waschen.«
    Natürlich jetzt gleich, dachte John. Nachher finden wir sie nie wieder. »Heute Abend sind wir zurück. Benigno, bitte.«
    Während Patricia vor sich hin maulte, beugte sich der Gesandte über Bord und sprach mit den beiden Fischern. Der mit dem Paddel, ein untersetzter Mann mit einem von Narben zerfurchten Gesicht, war offenbar der Wortführer; der andere, dem, wie John erst jetzt entdeckte, an beiden Händen je ein Finger fehlte – was darauf schließen ließ, dass er die Dynamitfischerei nicht erst seit heute betrieb –, war zwar deutlich älter, grauhaarig und faltenreich, wirkte aber weich und unterwürfig.
    »Sie sind ziemlich abgeneigt«, erklärte Benigno. »Sie fragen, was wir im Dorf wollen. Sie glauben, wir wollen ihren Familien auch etwas anhaben.«
    »Sagen Sie ihnen, dass sie nichts zu befürchten haben. Dass wir sie nicht anzeigen werden.«
    Benigno räusperte sich. »Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte… Schenken Sie ihnen etwas Geld. Fünf Dollar oder zehn, das ist hier ein Vermögen. Dann werden sie Ihnen eher glauben.«
    John fasste sich an den Neoprenanzug. Natürlich hatte er kein Geld dabei. Wenn er es recht bedachte, hatte er, seit er reich war, so gut wie nie mehr Geld dabei gehabt. »Hat jemand zehn Dollar?«, fragte er und sah in die Runde. »Marco, Sie vielleicht? Sie bekommen es wieder.«
    »Mit Zins und Zinseszins?«, grinste Marco, der schon dabei war, seine Hosentaschen zu durchwühlen. Tatsächlich förderte er einen Zehndollarschein zutage und reichte ihn John. »Jetzt haben Sie Schulden bei mir.«
    »Danke.« Er gab den Schein an Benigno weiter, der ihn den Fischern hinhielt. Ein längeres

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