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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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übersetzte Benigno, »›Was nützt es mir, die kleinen Fische nicht zu fangen und zu warten, bis sie groß sind, wenn ich bis dahin verhungert bin?‹«
     
    Es war so spät am Abend, dass endlich so etwas wie eine kühle Brise aufkam. Sie hatten wie immer gut gegessen, mit schlechtem Gewissen, aber großem Appetit, während zwei der jüngeren Bodyguards noch einmal mit dem Boot hinausgefahren waren, um die Atemgeräte zu holen, die John und Patricia zurückgelassen hatten.
    Die große Jacht bewegte sich leicht in der Dünung. Wenn man an der Reling stand und genau hinhörte, konnte man unter Wasser die Stabilisatoren arbeiten hören. Wolken, die wie Rauchschwaden aussahen, verdeckten einen Teil der Sterne; man bildete sich sogar ein, Rauch zu riechen.
    Patricia saß, in sich gekehrt, im Salon und schrieb Briefe. Benigno Tatad hockte am Bug und starrte gedankenverloren ins Wasser. John hatte einen Rundgang gemacht, mit den Stewards gesprochen und mit dem Koch, mit den Maschinisten und zuletzt mit Kapitän Broussard, alles in bester Ordnung gefunden, und zog sich schließlich in seine Kabine zurück.
    Dies war der Raum, den er am wenigsten wohnlich fand, eher ein aufdringlich möbliertes Hotelzimmer als ein Zuhause, aber heute Abend war er froh, hinter sich zuschließen zu können. Er ließ sich in einen der beiden Sessel fallen, starrte eine Weile Löcher in die Luft und griff schließlich zum Telefon, um McCaine anzurufen.
    »Was die Umwelt zerstört, ist in Wirklichkeit Armut«, sagte er, nachdem er ihm die Erlebnisse und Erkenntnisse des Tages geschildert hatte. »Nicht das Bevölkerungswachstum, nicht die mangelnde Bildung – Armut. Jemand, der hungert, hat nicht die Wahl, ein Tier, das er erlegen könnte, am Leben zu lassen, weil es vom Aussterben bedroht ist. Denn er muss jetzt essen. Jemand der friert, hat nicht die Wahl, einen Baum stehen zu lassen, um zu verhindern, dass die Wüste weiterwächst. Er muss überleben, und es heißt, der Baum oder er. Armut heißt, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Man kann keine Rücksicht nehmen, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, auf andere Menschen nicht und auf die Natur erst recht nicht. Armut ist der Kern des Problems.«
    McCaine schwieg einen Moment, aber vielleicht kam das auch nur von der Satellitenverbindung. »Ich kann Ihnen nicht widersprechen«, sagte er. »Die Frage ist, welche Folgerungen ziehen Sie daraus?«
    »Ich frage mich, ob es nicht besser wäre, viele kleine Projekte ins Leben zu rufen, überall auf der Welt, zielgerichtet und auf die jeweiligen Probleme ausgerichtet. Zum Beispiel hier, die Philippinen. Ich habe vor dem Abendessen herumtelefoniert, mit ein paar Leuten, die mir der Gesandte der Regierung nennen konnte, und ein paar, die mir das Sekretariat besorgt hat, und ich habe festgestellt, dass man hier mit geradezu lächerlich wenig Geld Enormes bewirken könnte. Wenn man mit dem Dynamit wirklich aufhört, die Riffe ein paar Jahre in Ruhe lässt, dann erholt sich das Leben dort wieder, und die Fische kehren zurück. Himmel, es hilft sogar, wenn man alte Autoreifen ins Meer versenkt als Riffersatz. Man muss es nur tun. Man müsste simple Lehrfilme produzieren, in jedem der vielen Dialekte, die es hier gibt, und den Fischern die Zusammenhänge erklären. Und man müsste die Verwertung verbessern – sage und schreibe ein Drittel des Fischfangs verdirbt, sechshunderttausend Tonnen pro Jahr, nur weil es nicht genug Kühlhäuser, Eismaschinen und Kühlwagen gibt und die Straßen miserabel sind. Ich komme auf eine Summe von zehn, vielleicht fünfzehn Millionen Dollar, verteilt auf mehrere Jahre, die hier, richtig eingesetzt, buchstäblich Wunder wirken würden.«
    »Mmh. Ohne Zweifel ist Ihnen klar, dass es derartige Projekte ohne Zahl auf der Welt gibt.«
    »Natürlich. Aber schließlich habe ich eine ganze verdammte Billion Dollar zu verteilen…«
    »Inzwischen mindestens das Doppelte, wenn ich das einflechten darf.«
    »Umso besser. Jedenfalls reicht es für hunderttausend solcher Projekte. Hunderttausend Punkte auf dem Globus, an denen wir in Situationen eingreifen, die durch einen vergleichsweise winzigen Anstoß in eine positive Richtung bewegt werden können. Lauter Nadelstiche, aber in der Summe wie eine Akupunkturbehandlung des Planeten, so stelle ich mir das vor.«
    McCaine gab ein grunzendes Geräusch von sich. »Was Sie vorschlagen«, meinte er, »läuft auf Flickschusterei hinaus.«
    »Es wäre etwas Reales«, beharrte John.

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