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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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die Vorsehung mit ihm und für ihn bewirkt hatte. Das konnte nicht sein.
    Es reicht nicht für alle. Die Worte hallten in seinem Kopf wieder wie ein grausiges Mantra, wie ein Urteilsspruch, das Urteil über alle Menschen, auf seinen Schultern abgeladen. Er stemmte sich in die Höhe, knöpfte sich, schwankend unter der Last, die Hose auf und ließ sie fallen, streifte die Schuhe ab, die Hose hinterher.
    In diesem Augenblick spürte er es, im Hintergrund seines Bewusstseins, einen Gedanken, so groß und gewaltig und furchtbar, dass er nicht auf einmal gedacht werden konnte, eine Erkenntnis so fundamental und folgerichtig, dass einem das Herz stehen bleiben mochte, wenn man sich ihr zu leichtfertig aussetzte. Er verharrte, wusste nicht, was tun. Der Gedanke stieg auf, ein Eisberg auf Kollisionskurs, ein herabstürzender Komet, ein Gedanke, der von einem Titanen gedacht werden musste, nicht von einem sterblichen Menschen.
    Der Zusammenbruch…
    Eines Tages würde es so weit sein, noch unvorstellbar heute, aber so vieles war einmal unvorstellbar gewesen und dann doch geschehen, so vieles war vorhergesagt worden, verlacht worden und später tatsächlich eingetreten. Und so würde es eines Tages geschehen: das Ende der Zivilisation. Das Ende der bekannten Welt.
    Die Unterwäsche brannte ihm plötzlich auf der Haut. Er streifte die Socken ab, zog alles aus, stand nackt in der Nacht, den Aufprall erwartend.
    Der Zusammenbruch…
    Vielleicht eine Seuche, gegen die es kein Gegenmittel gab. Ein Virus, tödlich wie AIDS und ansteckend wie die Grippe. Oder eine lokale Katastrophe, ein berstendes Atomkraftwerk in Europa etwa, und in der Folge gewaltige Wanderungsbewegungen, Übergriffe, Kriege. Umkippeffekte, Zusammenbruch der Nahrungsversorgung, der Energieversorgung…
    Da kam der erste Splitter dieses zermalmenden, verheerenden Gedankens, brach über ihn herein mit strahlender Klarheit, unvergleichlich, herrlich in seiner Schrecklichkeit, in seiner kristallinen, gottgleichen Unausweichlichkeit.
    Je später der Zusammenbruch geschieht, erkannte Malcolm McCaine in jenem furchtbaren Augenblick, in dem sich der Vorhang der göttlichen Wahrheit vor ihm hob, desto schlimmer wird es.
    Er sank in die Knie, musste sich vornüber beugen und den Kopf in den Armen bergen. Er zitterte unter dem, was ihm geschah. Wie ein Blitz war es durch ihn hindurchgefahren, wie verzehrendes Feuer, und obwohl es nun wieder dunkel und still war, war doch diese Erkenntnis zurückgeblieben, und nichts konnte sie wieder aus der Welt schaffen. Je später der Zusammenbruch geschieht, desto schlimmer wird es. Desto größer die Zerstörungen, die er auf dem Planeten anrichtete. Desto mehr Rohstoffe, die verbraucht waren. Desto mehr Gift, das verteilt, radioaktiver Müll, der angehäuft, und Ackerland, das zu Wüste geworden war.
    Desto mehr Tote, die zu beseitigen waren.
    Er schloss die Augen, wollte aufhören zu denken. Aus dieser Erkenntnis folgerte etwas, das ahnte er, das wusste er, aber er wollte es noch nicht denken, wollte es hinauszögern, so lange es ging.
    Konnte es sein…?
    Nein. Nicht weiterdenken. Nicht in diese Richtung.
    Konnte es sein, dass…?
    Das war nicht einmal von Noah verlangt worden. Nicht einmal von Pontius Pilatus. McCaine fuhr hoch, sah sich gehetzt um, gab es keine Bar in diesem Zimmer, keinen Alkohol, um die Gedanken zum Stillstand zu bringen?
    Konnte es sein, dass seine Aufgabe in Wahrheit war…?
    Er keuchte. Sein Herz raste. Er war sich plötzlich sicher, dass der Gedanke, zu Ende gedacht, ihn töten würde, dieser Gedanke, der für einen Titanen bestimmt war, ihm aber die Seele in den Grund bohren würde. Und ja, auch das war Erlösung. Ja.
    Konnte es sein, dass seine Aufgabe in Wahrheit war, den Zusammenbruch zu beschleunigen? Und dafür zu sorgen, dass nicht irgendjemand, sondern die richtigen Menschen überlebten – und danach noch eine Welt vorfanden, mit der sich eine Zukunft aufbauen ließ?
    Er sank zur Seite, lag mit geschlossenen Augen. Zeit verging. Er hätte nicht sagen können, wie lange er so gelegen hatte, aber der Sturm war abgeflaut, als er sich wieder zu rühren wagte, sich eingestand, noch am Leben zu sein. Ihm war kalt, durch und durch. Sein Herz schlug mühsam, sein Blut schien zu dickflüssigem Sirup geronnen, seine Nase war verstopft.
    Nun lag also alles vor ihm. Er quälte sich hoch, zitternd, fühlte sich, als könnte er jeden Moment in Stücke zerbrechen. Aber er sah klar. Sah den Weg vor sich, sah auch

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