Eine Billion Dollar
sonst hätten die Autoabgase in der Luft sie zerfressen.«
Noch eine Türe, und dahinter ein kleiner, dunkler Raum, beinahe leer, schlicht eingerichtet und eher an eine Kapelle gemahnend. Ein Kruzifix hing an der Wand, darunter stand eine Art Schautisch, vor dem wiederum ein Stuhl stand. Cristoforo schaltete zwei Lampen ein, die durch das Glas des Schautisches dessen Inneres beleuchteten.
John trat näher heran, und ein eigenartiger Schauder erfüllte ihn. Er ahnte schon, was er sehen würde, noch ehe der alte Anwalt es aussprach.
»Das ist das Testament«, erklärte Cristoforo Vacchi, beinahe weihevoll. »Das Vermächtnis des Giacomo Fontanelli.«
Es waren zwei große, dunkelbraune Bogen eines dicken, eigenartig schimmernden Papiers, die unter der Glasplatte auf weißem Samt lagen. Die Schrift darauf war klein und kantig und kaum zu entziffern. Beide Bogen waren eng voll geschrieben und durch zwei brüchig aussehende Bänder verbunden, die an beiden Enden mit eindrucksvollen Siegeln befestigt waren. John zog den Stuhl vor, der sich alt anfühlte wie alles hier, alt und solide, und setzte sich. Er beugte sich vor, betrachtete das Dokument unter dem Glas von nahem, versuchte zu erfassen, dass sein Urahn, der Urheber dieses ganzen wahnsinnigen Projektes, mit eigener Hand diese Worte geschrieben hatte.
»Ich verstehe kein einziges Wort«, bekannte er schließlich. »Aber wahrscheinlich ist das mittelalterliches Italienisch, oder?«
»Es ist Latein.«
John nickte, starrte die dunkelbraunen, elegant geschwungenen Linien der Anfangsbuchstaben an. Wie eine Seite aus einer alten, handgeschriebenen Bibel. »Latein. Konnte Lorenzo eigentlich Latein?«
Der Padrone legte ihm die Hand auf die Schulter. »Quälen Sie sich nicht«, meinte er. »Sie sind nicht schuld an seinem Tod.«
»Aber ich profitiere davon.«
Die Hand knetete seine Schulter. »Sie sind der Erbe. Sehen Sie hier.« Er zeigte auf eine Stelle in dem handgeschriebenen Text, an der John bei näherem Hinsehen tatsächlich ein aus römischen Zahlen zusammengesetztes Datum erkannte. »Der jüngste männliche Nachfahre, der am 23. April des Jahres 1995 am Leben ist. Am Leben – das sind Sie, John. Sie sind der, den er gemeint hat.«
Johns Blick wanderte wieder über das uralte Schriftstück, verfing sich in den eleganten Bögen der Unterschrift, neben der weitere, kleinere Unterschriften gekritzelt waren, Beglaubigungen vielleicht, notarielle Bestätigungen, genau wie die dunklen, brüchigen Siegel. Er hatte keine Ahnung, ob dieses Dokument so aussah, wie ein Testament aus dem fünfzehnten Jahrhundert aussehen musste. Sie hätten ihm alles Mögliche zeigen können und behaupten, da stünde geschrieben, was sie behaupteten. Nur, welchen Sinn hätte es gemacht, so etwas zu fälschen? Sie wollten ihm eine Billion Dollar schenken. Sie waren ganz versessen darauf, ihn zum reichsten Mann seit der Entstehung des Sonnensystems zu machen. Sie hatten keinen Anlass, ihn zu belügen.
Was mochte dieser Giacomo Fontanelli für ein Mensch gewesen sein? Ein religiöser Eiferer? Ein Fanatiker? Die Unterschrift wirkte kraftvoll, abgerundet, harmonisch. So schrieb ein Mann, der im Vollbesitz seiner Kräfte und sich seiner Sache absolut sicher war. Er wünschte, das Testament lesen zu können. Obwohl, nein – was er sich eigentlich wünschte, war, zu wissen, wie das sein mochte: eine Vision zu haben, die das ganze Leben veränderte und bestimmte.
Wie es sein mochte, ein klares Ziel im Leben zu haben.
Schräg über dem Tisch war ein schmales, schießschartenartiges Fenster aus dickem, schlierigem Glas. Ein Stück einer Kuppel war dadurch zu erkennen, und John fragte sich, ob es die Kapelle war, die Michelangelo gebaut hatte für die toten Medici. Er wusste es nicht, hatte nicht einmal eine Vorstellung, in welche Richtung sein Blick durch dieses Fenster ging. Michelangelo. Wieso hing ihm dieser Name so nach, drehte unentwegt Schleifen im Hintergrund seiner Gedanken? Ihm war, als sei da eine Stimme in ihm, die in einem fort diesen Namen wiederholte, als wolle sie ihn an etwas erinnern – aber an was? Michelangelo. Er hatte die Sixtinische Kapelle ausgemalt, in Rom. In Rom, wo Lorenzo geboren war, gelebt hatte und starb.
»Wie alt war ich, als Lorenzo zur Welt kam?«
»Wie bitte?«, schreckte Cristoforo aus seinen eigenen Gedanken hoch.
»Zwölf«, beantwortete John seine eigene Frage. »Ungefähr zwölf. Was war davor?«
»Wie meinen Sie das?«
»Vor Lorenzos Geburt. Wer
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