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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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war da der Kandidat?«
    »Sie.« Er sagte es, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.
    »Haben Sie mich damals beobachtet?«
    »Sicher.«
    Jetzt kam die Erinnerung wieder, flutete aus den Tiefen des Vergessens hoch wie ein Springbrunnen, der eingeschaltet wird und anfängt, ein leeres Becken zu füllen. Ein elegant gekleideter Herr. Silberne Schläfen. Eine manikürte Hand, die ihm eine Tafel Schokolade reichte. Ein gütiger Blick unter buschigen Brauen hervor. Jetzt verstand er plötzlich, was diese Stimme in ihm rief. Sie rief nicht Michelangelo, sondern… » Mister Angelo«, entfuhr es John. Er drehte sich auf dem Stuhl herum, fasste Cristoforo Vacchi ins Auge, betrachtete seine gebeugte, hagere Gestalt. »Sie waren Mister Angelo, nicht wahr?«
    Der Padrone lächelte sanft. »Sie erinnern sich?«
    »Ich habe Sie einmal gesehen, wie Sie mit dem Flugzeug aus Europa kamen. Sie hatten nichts bei sich als eine Plastiktüte mit Schuhen darin.«
    »Ah, das. Da haben Sie mich gesehen? Das war mein letzter Besuch. Normalerweise bin ich immer ein paar Tage in New York geblieben. Nach Lorenzos Geburt wollte ich Sie noch einmal sehen, aber Sie waren nicht da, als ich die Werkstatt Ihres Vaters erreichte. Eigenartig – an dem Tag waren Sie am Flughafen?«
    John nickte, entdeckte immer mehr von dem, was er kannte, in der greisen Gestalt wieder. Wie lange das alles her war. Kein Wunder, dass ihm Cristoforo Vacchi von Anfang an so vertraut erschienen war. »Ja. Ich weiß nicht mehr genau, warum; ich glaube, die Eltern eines Freundes hatten mich mitgenommen – ein Ausflug oder so etwas. Aber ich habe Sie gesehen. Ich dachte lange, Sie wären nicht mehr gekommen, weil ich Ihr Geheimnis entdeckt hatte.«
    »Wie in den Märchen, ja. Ich verstehe.« Der alte Mann nickte nachdenklich. »Im Nachhinein denke ich, dass wir es zu Anfang etwas übertrieben haben mit unseren Beobachtungen. Wir konnten es nicht erwarten, obwohl das Testament ausdrücklich verfügt, dass wir uns erst nach dem Stichtag zu erkennen geben durften. Als Sie noch kleiner waren, sind wir oft zu mehreren gegangen – Alberto hat mich begleitet und später Gregorio, und anfangs auch noch mein verstorbener Bruder Aldo. Wir haben Sie auf dem Schulweg beobachtet, auf Spielplätzen…«
    Erinnerungen, wie Erinnerungen an eine Zeit in dem Land hinter den Spiegeln. »Ich erinnere mich an Begegnungen mit fremden Männern, die mir seltsame Fragen stellten. An drei Männer in Mänteln, die auf der anderen Seite eines Zauns stehen, während ich schaukele. An einen großen, dunklen Mann, der Haare auf dem Handrücken hatte…«
    »Wer das war, weiß ich nicht, aber die drei Männer am Zaun, das waren Aldo, Alberto und ich.«
    John musste unwillkürlich auflachen. »Meine Mutter hat sich immer Sorgen gemacht, wenn ich davon erzählte. Erst dachte sie, irgendwelche Sittenstrolche lauern mir auf, und dann, dass etwas mit mir nicht stimmt.« Er sah das Testament im Glaskasten an, die Siegel, die Unterschrift. »Wer wäre auch auf so etwas gekommen…?«
    »Kommen Sie«, forderte Cristoforo ihn auf. »Ich muss Ihnen noch etwas zeigen.«
    Es ging wieder hinab, in den Keller. Die Decke hing niedriger hier, die schmalen Fenster der oberen Stockwerke fehlten, aber alles war hell ausgeleuchtet, glatt verputzt, fast klinisch sauber. Der kurze Gang endete vor einer schweren, schwarz lackierten Stahltür. Ein Geräusch wie von einem auf Hochtouren laufenden Kühlschrank drang dahinter hervor, unerwartet in dem Haus, dessen festungsdicke Wände eine jahrhundertealte Stille gegen den Lärm der Welt draußen abzuschirmen schienen.
    Es war, wie sich zeigte, ein Computer. Ein Koloss von einem Computer, ein klobiger, kleiderschrankgroßer Klotz, blau lackiert mit dem unverkennbaren IBM-Logo darauf, beherrschte den Kellerraum, dröhnend und brummend und bestürzend altmodisch aussehend. Als stamme er ebenfalls aus der Zeit der Medici. Dicke graue Kabel führten zu ganzen Batterien von Telefonbuchsen entlang der Wand.
    »Draußen im Landhaus gibt es eine moderne Anlage«, erläuterte Cristoforo. »Diese hier haben wir 1969 gekauft und uns eigens ein Programm dafür entwickeln lassen, das imstande ist, auf die Daten von Tausenden von Banken zuzugreifen, Millionen von Sparkonten verwalten und mit aktuellsten Währungskursen umrechnen und aufsummieren kann. Eduardo wird Ihnen zeigen, wie das im Einzelnen geht, die ganzen Zugriffspaßwörter und so weiter, aber das, worauf alles hinausläuft,

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