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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Im Innern des Gebäudes war es trotz des nachmittäglichen Termins so dunkel, dass die kristallenen Lüster eingeschaltet waren und sich vornehm im blank polierten Boden spiegelten. Allgemeines Gemurmel erfüllte den Raum, auf silbernen Tabletts wurden Gläser mit dunkelbraunem Kräuterlikör gereicht, und John bildete sich ein, dass mehr als einer zu ihm hersah und ihn erkannte, aber so tat, als erkenne er ihn nicht.
    Über rote Teppiche ging es aufwärts, in den Rundgang, der zu den Logen führte. Hohe Kassettentüren mit hohen Türgriffen, als seien die Menschen früher Riesen gewesen. Und dann, umringt von einer Art Hofstaat, begrüßte ihn Agnelli.
    »Es ist mir eine Ehre«, sagte der Milliardär, und es klang, als meine er das auch so. Er hatte grau meliertes, welliges Haar, ein wenig wie der Padrone, aber er wirkte wesentlich vitaler und dynamischer, wie jemand, der trotz seines Alters immer noch Frauen faszinieren konnte. Zahllose feine Fältchen durchfurchten sein lebhaftes Gesicht und kündeten von zurückliegenden wilden Jahren.
    »Ich beneide Sie nicht«, erklärte Agnelli, als sie die Loge betraten und sich ihre Leibwächter hinter ihnen über die Aufgabenverteilung einigten. »Ich weiß, was es heißt, ein Vermögen zu erben. Es ist oft, als würde einen das Geld besitzen, anstatt umgekehrt. Man muss kämpfen. Man muss sich wirklich anstrengen.«
    »Einen Kampf habe ich schon hinter mir«, sagte John spontan. »Vielleicht haben Sie davon gehört.«
    »Ja. Innerhalb der Familie. Das ist schlimm. Aber glauben Sie mir, das ist erst der Anfang.«
    Die Loge war verblüffend klein. Ganze zwei Sessel hatten darin Platz. Auch der Saal selbst, rund, mit roten Plüschsesseln im Parkett und sechs Reihen Logen darüber wie Hühnerkäfige, kam John unerwartet klein vor.
    Unvermeidlich: die Oper. Agnelli lauschte andächtig; John langweilte sich zu Tode. Die Bühne war imposant ausgestattet, die Darsteller trugen prachtvolle Kostüme, und der Dirigent, Signor Muti Riccardo, wie John dem Programm entnahm, legte sich mächtig ins Zeug. Trotzdem hätte John jederzeit ein Rockkonzert vorgezogen, die Rolling Stones vielleicht oder Bruce Springsteen.
    In der Pause unterhielten sie sich. Agnelli erzählte ihm, er werde sich demnächst aus dem Geschäftsleben zurückziehen und die Leitung seines Konzerns seinem Neffen Giovanni Alberto anvertrauen. »Solche Gedanken werden Sie sich auch eines Tages machen müssen«, sagte er. »Und das ist nicht leicht. Mein Sohn Eduardo zum Beispiel wäre als Nachfolger völlig ungeeignet. Zu schwacher Charakter. Er würde vor jeder Entscheidung die Sterne befragen oder einen Hellseher, und im Nu wäre alles ruiniert.«
    Von Rückzug aus dem Geschäftsleben war allerdings noch nichts zu spüren, im Gegenteil: Agnelli schien dessen Zentrum zu sein. Jeden Augenblick kamen vornehme Herren in Begleitung eleganter Damen, schüttelten dem Industriemagnaten die Hand, der sie dann mit John Fontanelli bekannt machte. John schüttelte höflich Hände, feste, gierige, schlaffe, brutale, und brachte bei den Damen den Handkuss an, wie er ihn mit Signora Orsini eingeübt hatte. Er blickte in erfreute Augen und in feindselige, in interessierte, stumpfe, abschätzige und freundliche.
    »Guignard«, stellte sich ein drahtiger Franzose vor. »Jean Baptiste Guignard. Sehr erfreut, Monsieur Fontanelli.«
    »Jean«, erläuterte Agnelli, »hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Kann man das so sagen, Jean? Ihm gehört eine Werft in Cannes. Er baut Jachten.«
    Wie ein aufzuckendes Stroboskopbild kam die Erinnerung. Coney Island. Ihre Spiele im Sand. Wenn man hinaussah aufs Meer, waren da Jachten, weit draußen, und die winzigen Gestalten darauf, von denen wusste man, das waren reiche Leute. Fabelwesen. Keine Menschen, denen man begegnen konnte. Reiche Leute waren dem normalen Leben auf eine sagenhafte Weise entrückt, den Engeln näher als den Menschen.
    Und sie lebten auf Jachten.
    »Sehr erfreut«, sagte John und schüttelte die Hand des Jachtbauers Jean Baptiste Guignard.
     
    »Eine Jacht? «
    Gregorio Vacchi blickte auf den Tisch voller Prospekte, Zeitschriften und Bücher herab, als hätten John und Eduardo eine Sammlung widerlichster Pornomagazine ausgebreitet. Seine Frage hatte er in normaler Gesprächslautstärke gestellt, aber in solcher Schärfe, dass sie wie ein Aufschrei klang. Sogar der Wachhund draußen auf dem Rasen spitzte die Ohren.
    »Eine Jacht, na und?«, erwiderte Eduardo ärgerlich.

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