Eine Billion Dollar
Mensch, Regisseur und Intendant in Personalunion, und der Autor des Stückes, ein verhuschtes Männchen mit wilder Mähne, John-Lennon-Brille und schlechtem Atem, stellten sich den Fragen der Presse. Nach und nach gesellten sich Bühnentechniker, Beleuchter und schließlich die Schauspieler, frisch gewaschen und geföhnt, dazu, Alkohol floss in Strömen, und der Empfang entartete zur Endlosparty.
Ein agiler Typ, ganz in Schwarz gekleidet wie die meisten, hofierte John, wobei er sich bemühte, so zu wirken, als hofiere er ihn nicht. Er vermied auch das Wort Geld , redete stattdessen von Aufwand . Aber John kapierte, dass er die Finanzen des Theaters verwaltete, und wurde das Gefühl nicht los, wie ein wandelnder Geldbeutel auszusehen.
Wenig später verwickelte der Regisseur ihn in ein Gespräch, dem nicht zu entkommen war, und sei es, weil man vermutlich verdurstet wäre, wenn man versucht hätte, um ihn herumzulaufen. Ob er sich sein Leben als Theaterstück vorstellen könne?
»Aber ich lebe doch noch«, sagte John. »Das würde ein ziemlich unvollendetes Stück.«
»Oh, das macht nichts«, sagte der Regisseur.
Irgendwann verlor John das Gefühl dafür, wie spät es war und in welcher Reihenfolge sich die Ereignisse zutrugen. Jemand bot ihm Kokain an. Marco war allgegenwärtig, schweigend und nüchtern. Eine der Schauspielerinnen war nicht davon abzubringen, das Stück zusammen mit John zu wiederholen, zumindest soweit es darum ging, sich und ihm die Kleider vom Leib zu reißen. John achtete nicht auf die Blitzlichter dabei.
Am Montagmorgen war das Bild in etlichen Zeitungen. Die Vacchis grinsten nur, und John beschloss, dass sich etwas ändern musste in seinem Lebenswandel.
10
»Hiermit können Sie die Jalousien verstellen«, erklärte der Makler, ein kleiner, agiler Mann mit penibel frisierten Haaren, und wies auf eine kleine, hochwissenschaftlich aussehende Schalttafel an der Wand. »Aber Sie können das auch der Automatik überlassen.« Er bemühte sich um strahlende Zuversicht. Dass Eduardo herumstand, eine unzufriedene Miene zur Schau trug und an allem etwas zu mäkeln fand, irritierte ihn spürbar.
John sah an der schrägen Fensterfront empor. Schneeweiße Lamellen, die sich mit leisem Surren aufwärts zusammenschoben oder abwärts entblätterten, je nachdem, wie die Sonne in das riesige Wohnzimmer einfiel. Grandios, wie alles an diesem Haus, das kein Haus mehr war und auch keine Villa mehr, sondern ein Traum von einem Palast.
»Entworfen von einem der besten Architekten des Landes, wie gesagt«, erinnerte der Makler.
Alles war weiß in weiß, flirrte in der Sonne. Vor den hohen, schräg nach innen gerichteten Fenstern erstreckte sich eine weite Terrasse mit kühn geschwungener Balustrade, und jenseits davon lag das Mittelmeer in so unwirklichem Azurblau, dass es auf einem Foto kitschig gewirkt hätte. Ein schmaler Weg führte zum Strand, den man sich auf viele Kilometer nur mit Besitzern ähnlicher Prachtbauten teilen musste.
»Schön«, meinte John, aber eigentlich zu sich selbst. Für einen Augenblick hatte er die Anwesenheit der anderen vergessen. Das konnte sein Haus werden, wenn er wollte. Er brauchte nur Ja zu sagen. Seltsam – er hatte sich niemals zuvor mit dem Gedanken beschäftigt, ein Haus zu kaufen, weil er niemals annähernd so viel Geld gehabt oder verdient hatte, dass er auch nur auf die Idee gekommen wäre. Nun hatte er plötzlich genug Geld. Er konnte diese Villa kaufen und, wenn es ihm einfiel, noch den ganzen Küstenstreifen dazu – aber das Gefühl von Besitz wollte sich nicht einstellen. Eine Billion Dollar. Seit er in diesen merkwürdigen Kosmos jenseits aller materiellen Notwendigkeiten geraten war, schien sich die ganze Welt in eine Art Spielplatz verwandelt zu haben. Er konnte tun, was immer er wollte, aber es schien keinen Unterschied mehr zu machen. Egal, wieviel Geld er ausgab, das Vermögen würde nicht ernsthaft weniger werden.
Wie konnte er etwas als Besitz betrachten, für das er nichts getan, nichts gearbeitet, nichts geleistet hatte? Vielleicht, überlegte John, verwandele ich mich jetzt in ein Arschloch, das umherstreift und, wenn er sich in einem Laden schlecht behandelt fühlt, gleich den ganzen Konzern aufkauft, um dann den Verkäufer feuern zu können.
»Wem hat das Haus eigentlich vorher gehört?«, fragte er.
Der Makler blätterte in seinen Unterlagen. »Einem bekannten Schallplattenproduzenten«, meinte er dabei eifrig, »ich komme allerdings gerade
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