Eine Braut für alle
meinen Doktor gemacht hatte, stieß ich einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, daß ich nun endlich den Klauen Sir Lancelot Spratts entkommen würde. Jetzt befand ich mich nicht nur wieder bei ihnen, sondern in denen der ganzen verdammten Spratt-Familie. Zum Glück kam gerade in diesem Augenblick jemand auf die Brücke und erklärte, er wolle den Lotsen absetzen; es gelang mir daher zu entfliehen. Ich schickte dem Kapitän ein paar Stück Aspirin hinauf.
Erst am vierten Tag der Fahrt hörte das Schiff auf, im Ozean hin und her zu rollen, die Sonne kehrte auf den Himmel und Farbe auf die Wangen der Passagiere zurück. Zum erstenmal begann ich wieder an meine nächste Mahlzeit - statt an die vergangene -zu denken, und nach meiner Vormittagsordination unternahm ich einen kecken Streifzug auf das Deck, um nach Ophelia auszuschauen.
Ich entdeckte sie, wie sie eben, verzückt in den Anblick einer Ankerwinde versunken, fotografiert wurde, und angesichts ihrer blonden Löckchen und des winzigen Badeanzuges wurde ich vom Gefühl durchdrungen: mochte Seekrankheit, mochte Captain Spratt, ja, mochte selbst der gute Basil über mich hereinbrechen -sie war es wert, bei Gott!
«Darling, wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?» begrüßte sie mich.
«Ich war seekrank. Du nicht?»
«Ich? Natürlich nicht! Mir war noch nie im Leben schlecht, nicht einmal nach Parties. Kennst du schon Humphrey?»
Sie wies auf einen klapprigen Jungen in knappsitzender rosa Hose, der eine Kamera betätigte und in einem fort sagte: «Nur noch eine, meine Liebe, dann wollen wir’s auf dem Anker probieren.»
«Wie gefällt dir die Fahrt?» fragte ich sie.
Sie zog ein Schmollmündchen. «Eine recht trübselige Bande von Leuten, muß ich schon sagen.»
«Ich glaub, sie werden sich im Verlauf der Fahrt bessern.» Ich zögerte. «Du hast nicht zufälligerweise an Bord einen Bekannten gesehen?» fragte ich leichthin.
«Welche Bekannten sollte ich um Himmels willen schon auf einer solchen Spritztour treffen?»
«Ist ja auch schwer möglich», bekräftigte ich rasch. «Und - äh -du wirst wohl keine Lust haben, das Schiff zu besichtigen? Maschinenraum, Kessel, Heizerquartiere, und so weiter?»
«Meine Kabine ist schon scheußlich genug, Darling.»
Ich nickte. «Ja, in die Tiefen würde ich auch nicht eindringen wollen. Sehr unhygienisch dort drunten. Da kann man allerlei erwischen.»
«Noch eine mit Beinen, meine Liebe», schaltete sich Humphrey ein.
«Wie wär’s mit einem Cocktail vor dem Lunch, in meiner Kabine?» schlug ich vor.
«Rasend gerne, Darling, aber ich muß zum Friseur.»
«Na, und vor dem Dinner?»
«Da bin ich bei Humphrey bestellt, um einige Kostüme zu probieren.»
«Also dann morgen vor dem Lunch?»
«Na schön, Darling.»
Ich lachte. «Schließlich liegen noch drei volle Wochen vor uns, nicht wahr?»
«Gewiß, Darling.»
Einigermaßen selbstzufrieden kehrte ich in meine Kabine zurück.
Aber zum Drink kam es nicht. Am nächsten Morgen tauchte nach dem Frühstück Mr. Shuttleworth bei mir auf und kündigte mir an, daß der Kapitän Schlag halb eins meine Gesellschaft wünsche. Ich fluchte gelinde; da ich jedoch ebensowenig Chancen hatte, diese Vorladung zu umgehen wie die Vorladung zum Jüngsten Gericht, kritzelte ich ein paar Zeilen an Ophelia, worin ich unser Treffen bis zum Dinner verschob, und erklomm in treuer Pflichterfüllung die Brücke.
«Ah, Doktor! Da sind Sie ja.»
Beim Betreten der Kapitänskabine salutierte ich so schnittig, daß ich mir mein rechtes Handgelenk verrenkte.
«Dachte, Sie könnten mir bei einem Drink Gesellschaft leisten», erklärte er.
«Sehr liebenswürdig, Sir», erwiderte ich so höflich wie möglich.
«Möchte Sie ein bißchen näher kennenlernen, verstanden?»
Er schaltete eine Pause ein, um seiner Nase zwei Portionen Schnupftabak einzuverleiben.
«Diese Erkältung, Doktor - wie der Blitz ist sie vergangen.»
«Hocherfreut, dies zu vernehmen, Sir.»
«Gute Arbeit. Ich erachte es als eines der obersten Grundsätze für das erfolgreiche Kommando eines Schiffes auf hoher See, ein Lob dort nicht vorzuenthalten, wo es gebührt. Was hiermit geschieht.»
Der alte Knabe schien mir recht leutselig zu sein. Nun glich er Blackbeard, der sich nach einem ausgiebigen Mahl hinsetzt, um das Ersäufen der Gefangenen zu organisieren.
«Sie waren ein Student meines Bruders, he?» fuhr der Kapitän fort, als ich Platz nahm. «Der helle Kopf der Familie. Der Bücherwurm, zumindest. Sollte
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