Eine Braut für alle
ihn wohl wirklich einmal in London aufsuchen. Hab jetzt keine Ausrede mehr und Zeit genug, seit ich den Anker verschluckt hab.»
Er führte sich unter beträchtlicher Geräuschkulisse eine weitere Ladung Schnupftabak zu.
«Nun zu Ihnen, Doktor. Sie kennen die Schiffsregeln. Befolgen Sie sie, und wir beide werden an Bord ausgezeichnet miteinander auskommen.»
«Davon bin ich überzeugt, Sir», erklärte ich hoffnungsvoll.
«Sie interessieren sich doch wohl nicht für die Cheopspyramide?»
«Nicht im mindesten, Sir.»
«Gut.»
Ich fühlte, daß sich die Aussichten in ermutigender Weise besserten. Bezüglich Ophelias würde ich natürlich sehr diskret Vorgehen müssen, aber so ein Schiff wimmelt ja von kosigen Winkeln für kleine Plauderstündchen. Und wiewohl der liebe Basil nahe genug weilte - ich sah förmlich, wie die Heizer ihn um die Kessel jagten, wenn das Essen nicht pünktlich zur Stelle war -, Ophelia blieb ihm so unerreichbar, wie wenn die beiden auf zwei verschiedenen Schiffen wären, die in entgegengesetzte Richtungen fuhren.
«Nun wollen wir uns aber einen Drink genehmigen», sagte der Kapitän, meine Gedankengänge unterbrechend, indem er die Hände zusammenschlug und «Steward!» rief.
Und da stand er wieder auf der Schwelle, der verdammte Kerl -Basil.
«Ist Ihnen nicht gut, Doktor?» rief der Kapitän.
«Nichts - nichts, Sir. Nur ein kleiner Schauer. Habe möglicherweise leichte Temperatur.»
«Achten Sie auf Ihre Gesundheit. Einen kranken Arzt können wir hier nicht brauchen.»
«Nein, natürlich nicht, Sir.»
Ich starrte Basil an. Basil starrte das silberne Chronometer über meinem Kopf an. Eine gute Sekunde lang fragte ich mich, ob der niederträchtige Kerl wirklich da vor mir stand, oder ob ich infolge eines allgemeinen seelischen Zusammenbruchs und nervlicher Überreiztheit das Opfer von Halluzinationen geworden war. Er schien grundverschieden von dem Burschen, der sich auf meinem Sofa gelümmelt und meinen Gin heruntergeschüttet hatte - er war älter, sozusagen gebeugter geworden und in einer Art Halbschlaf.
«Nennen Sie Ihre Leibmarke, Doktor», forderte mich Captain Spratt wohlgelaunt auf, während er sich in ein riesiges rotgetupftes Taschentuch schneuzte.
«Pink Gin», stotterte ich.
«Und für mich wie gewöhnlich, Beauchamp.»
«Ich habe mir bereits die Freiheit genommen, Ihren Wünschen zuvorzukommen, Sir», erwiderte Basil, der sich mit einem Tablett und zwei Gläsern näherte.
«Aber, hol mich der Teufel! Wie konnten Sie des Doktors Wünsche -»
«Auch diesen zuvorzukommen war ich so frei, Sir.»
«Der Mann ist ein Weltwunder», murmelte Captain Spratt.
«Ich nehme an, Sie bevorzugen diese Quantität Angostura Bitter, Sir?» fuhr Basil fort, indem er sich mit dem Glas über mich beugte.
Ich durchbohrte ihn mit meinem Blick.
«Haben Sie weitere Wünsche, Sir?» fragte er den Kapitän.
«Im Augenblick nicht, danke, Beauchamp.»
«Ich danke Ihnen, Sir.»
Er zog sich mit der Würde eines Gerichtsvorsitzenden zurück, der die Mittagspause ansetzt.
«Solche Burschen sieht man nicht viele auf See, was?» Captain Spratt gab ein anerkennendes Nicken von sich. «In den alten Zeiten hätte man den Steward des Kapitäns glatt mit dem Butler jedes x-beliebigen wohlbestallten Hauses im Königreich vertauschen können, ohne daß wer zu Schaden gekommen wäre. Nun stinken sie alle nach Parfum und Haaröl und Faulheit. Aber Beauchamp, der gehört noch richtig zur alten Sorte. Ich glaub, nicht einmal an Land sieht man solche Typen mehr, ’s ist jammerschade.»
«Mir ist er noch nicht häufig auf dem Schiff begegnet», war alles, was ich im Bemühen, mich der Situation anzupassen, herausbrachte.
«Das ist klar. Wissen Sie, wo ihn dieser Narr, der Chefsteward, begraben hatte? Drunten in der Kantine der Heizer, ich bitte Sie! Ich entdeckte den Burschen auf meiner gestrigen Runde und versetzte ihn an Deck.»
Von der Tür her ertönte Gehüstel.
«Ja, Beauchamp?»
«Ich habe Ihre Koje aufgedeckt, Sir, und Ihre Pantoffeln herausgelegt, falls Sie den Hang verspüren, sich nach Tisch auszuruhen, Sir.»
Der Kapitän nickte. «Wäre nicht ausgeschlossen.»
«Ich erlaube mir respektvollst darauf hinzuweisen, Sir, einem kurzen Nachmittagsschlaf haben bereits eine Reihe durch ihre Taten ausgezeichnete Männer das Wort geredet. Ich erwähne unter anderen Napoleon und Mr. Gladstone, Sir.»
«Das kann ich gut verstehen, Beauchamp.»
«Ich werde Sie präzise um vier Uhr wecken,
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