Eine Braut fuer den italienischen Grafen
unerfüllt und unglücklich durch das Schloss streifen und anderen ihr Glück neiden würde.
An diesem Nachmittag verließ Ana ihr Büro frühzeitig, was nur selten vorkam, und fuhr nach Venedig. Am Vormittag hatte sie all ihren Mut zusammengerafft und in der Boutique angerufen. Sie hatte einen Termin vereinbart, um sich ein Kleid für die Party am Freitag zu besorgen und ihre Garderobe insgesamt besser auszustatten. Schließlich hatte sie Vittorio versprochen, sich ihrer neuen Position gemäß zu kleiden.
In erster Linie wollte sie sich ihm jedoch auf dem Fest von ihrer besten Seite präsentieren. Sie war es leid, nur dem Namen nach seine Ehefrau zu sein, und plante, seine Aufmerksamkeit zu erregen und vielleicht sogar seine Liebe zu erringen.
„Contessa de Cazlevara!“ Als sie die elegante Boutique betrat, eilte die Verkäuferin ihr entgegen, umarmte und küsste sie auf beide Wangen. Ana fühlte sich unbehaglich, denn neben der zierlichen, gut zwanzig Zentimeter kleineren Frau fühlte sie sich groß und plump.
„Ich habe bereits einiges herausgesucht, das Ihnen ausgezeichnet stehen wird.“ Feliciana führte sie in den privaten Umkleidesalon im hinteren Teil der Boutique.
Die Frau hat mich erst ein einziges Mal gesehen, wie, um Himmels willen, will sie wissen, was zu mir passt? fragte Ana sich skeptisch. Gab es solche Kleidung überhaupt?
Die gehässigen Mädchen in den Umkleideräumen im Internat fielen ihr ein, die Jungen, die sie ignoriert oder aufgezogen hatten, die verzweifelte Hausdame, die den Kopf geschüttelt und gesagt hatte: „Wenigstens bist du kräftig.“
Nicht ohne Grund hatte sie Orte wie diesen, wo es feminine Kleidungsstücke in Hülle und Fülle gab, jahrelang gemieden. In dem hell erleuchteten verspiegelten Ankleideraum kam sie sich schrecklich verletzlich und entblößt vor.
„Wollen wir mit dem Kleid für die Party beginnen?“
„Gern.“
„Sie feiern im großen Rahmen, dafür würde sich dieses Kleid hervorragend eignen.“
Skeptisch betrachtete Ana das weiße lange Abendkleid, das ihr bereits bei ihrem ersten Besuch in der Boutique aufgefallen war. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube nicht …“
„Sie werden schon sehen“, beharrte die Verkäuferin und deutete auf den Hosenanzug, den sie trug. „In diesem Aufzug verstecken Sie sich, als würden Sie sich Ihres Körpers schämen!“
„Das tue ich nicht …“
„O doch!“ Sie legte Ana beruhigend eine Hand auf den Arm. „Im Moment lassen Sie beim Gehen Schultern und Kopf hängen, um kleiner zu wirken. Sie sind tatsächlich groß“, entkräftete sie jeglichen Einwand im Voraus. „Aber Sie haben eine ausgezeichnete Figur. Wissen Sie, wie viele Frauen sich Ihre Größe und Ihre Formen wünschen? Sie sind wunderschön, doch bis heute glauben Sie selbst nicht daran.“ Sie zog die Hand zurück und deutete auf die seidene Abendrobe. „Sobald Sie sich in diesem Kleid erblicken, werden Sie Ihre Meinung ändern. Vertrauen Sie mir!“
Widerstandslos ließ Ana sich von Feliciana aus dem Hosenanzug helfen, dann schlüpfte sie voll düsterer Vorahnungen in das weiße Kleid. Wider Erwarten passte es wie eine zweite Haut, schmiegte sich perfekt um ihre Hüften, ihre Taille und die Brüste. Der tiefe Ausschnitt war mit Spitze besetzt, knapp oberhalb der Knie weitete sich der Rock, sodass der Stoff ihr beim Gehen wie eine zarte Wolke um die Füße wirbeln würde. Als die Verkäuferin den Reißverschluss im Rücken schloss, zog Ana den Bauch ein, doch das war nicht nötig. Das Kleid saß wie angegossen. Es gibt doch Kleider in meiner Größe, dachte sie erstaunt und zunehmend aufgeregt.
Dennoch wagte sie es zunächst nicht, in den Spiegel zu sehen. Ihre Angst vor einer herben Enttäuschung saß zu tief.
„Moment noch“, murmelte Feliciana. Sie betrachtete ihre Kundin prüfend, die Hände in die Hüften gestützt. Dann griff sie ihr ins Haar und löste die Spange, die es zusammenhielt. Nun fiel es ihr über den Rücken. „Perfekt!“
Wer, ich? dachte Ana ungläubig. Beinahe hätte sie den Kopf geschüttelt, doch die Verkäuferin zog sie bereits vor den Spiegel.
„Überzeugen Sie sich selbst!“
Im ersten Moment konnte Ana gar nicht glauben, dass sie ihrem eigenen Spiegelbild gegenüberstand, denn vor sich sah sie eine Fremde. Eine umwerfend schöne, selbstsichere, sexy Frau. Sie schüttelte den Kopf.
„Nein …“
„Gefällt es Ihnen nicht?“, fragte Feliciana bestürzt.
„Nein.“ Ana wandte sich zu ihr
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