Eine Braut fuer Lord Sandiford
erschreckt an und begann zu schluchzen. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. "Ich werde niemals dorthin zurückkehren. Lieber sterbe ich."
Ein paar Fußgänger waren stehen geblieben und betrachteten vorwurfsvoll das Mädchen in ihrem herausfordernden Kleidchen.
"Soll sie doch zurückgehen!" rief ein Mann.
"Die Huren streiten sich mal wieder", meinte ein anderer. "Sollen ihre Angelegenheiten doch unter sich ausmachen."
"Ganz genau. Hören Sie auf ihn", wandte sich die Frau erneut an Clarissa.
Hätten diese Leute auch sie in jener Nacht verurteilt und nicht auf ihre Hilferufe gehört? Entsetzen und Mitleid ergriffen sie; dann fasste sie einen Entschluss.
"Möchtest du mit mir kommen?" fragte sie das Mädchen.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Selbst die dicke Frau starrte Clarissa mit offenem Mund an.
"Es wird dir niemand etwas tun. Das verspreche ich dir. Und wo auch immer du hinwillst, ich werde dich dorthin bringen."
Das Mädchen schaute auf und sah Clarissa fassungslos an. Nach einem Moment flüsterte sie: "Ja."
"Nun hören Sie mal, Sie können mir doch nicht mein Lehrmädchen stehlen!"
"Dann wenden Sie sich doch an einen Richter", gab Clarissa bissig zurück.
Die Frau protestierte weiterhin heftig, während die Zuschauer laut ihre Meinungen äußerten und selbst der Leutnant mit ungläubiger Stimme fragte: "Miss Beaumont, wollen Sie das wirklich tun?"
"Ja, ob Sie mir nun helfen oder nicht, Lord Standish."
Er zog die Augenbrauen hoch und salutierte dann. "Ich stehe Ihnen zu Diensten, Madam."
Clarissa lächelte ihn dankbar an. "Dann setzen Sie das Mädchen bitte in die Kutsche. Fahrer, wir können weiter."
"Zum Theater?"
"Natürlich nicht. Zurück nach Hause. Wie heißt du?" fragte sie das Mädchen.
"Maddie, Madam. Maddie Gray." Sie machte einen Knicks, wobei sie die Zügel noch immer in der Hand hielt.
"Könntest du jetzt meine Pferde loslassen und mit mir kommen, Maddie?"
Für einen Augenblick klammerte sich das Mädchen noch an die Lederriemen, als ob sie ihr einziger Halt wären. Dann nickte sie und ließ los. Clarissa sah, dass die Zügel tief in ihre Hände geschnitten hatten.
Der Leutnant schüttelte lächelnd den Kopf, als er das Mädchen zur Kutsche begleitete. "Nun steig ein, Maddie Gray."
Der Lakai, der die Szene wie versteinert betrachtet hatte, sprang herbei, um den Wagenschlag zu öffnen. Ein paar Augenblicke später fuhren Clarissa, Lord Standish und ihr ungewöhnlicher Passagier davon.
Mit verschleiertem Blick starrte Maddie in die Ferne. Sie hatte es nicht gewagt, sich richtig hinzusetzen, sondern kauerte am Rand der Sitzbank und schlang ihre dünnen Arme um sich. Clarissa bemerkte, dass sie zitterte. Als sie dem Mädchen eine Hand auf die Schulter legte, um ihr einen Umhang anzubieten, zuckte es erschreckt zurück. Clarissa holte tief Atem; sie verspürte größtes Mitleid für das junge Ding.
Wenn ich nicht die reiche Miss Beaumont vom Grosvenor Square gewesen wäre, sondern ein armes Mädchen vom Land, dann hätte mir in jener Nacht das Gleiche passieren können.
"Hier", sagte Clarissa und öffnete die Schleifen ihres Umhangs. "Du frierst. Nimm das."
Lord Standish hielt sie zurück. "Wenn Sie mir erlauben." Er zog rasch seinen wollenen Rock aus. "Würdest du das nehmen, Maddie?"
Das Mädchen schien einen Augenblick zu brauchen, um seine Worte ganz zu begreifen. Dann stammelte sie: "Oh nein, Sir. Das könnte ich niemals annehmen. Ich … ich bin so schmutzig."
"Unsinn." Lord Standish winkte ab und legte ihr den Rock über die Schultern. "Der hat schon viel Schlimmeres als nur Schmutz gesehen. Da kannst du dir sicher sein. Nun erzähl uns aber, was geschehen ist. Du bist also kein Lehrmädchen, das ausgerissen ist?"
Maddie schmiegte ihre Wange an den dicken Wollstoff und schloss für einen Moment die Augen. Sie schien bereits für ein so einfaches Geschenk wie die Wärme, die ihr dieser Rock gab, zutiefst dankbar zu sein. Clarissa gab dies einen weiteren Stich. Das Mädchen seufzte, und eine Träne lief ihr über die schmutzige Wange.
"Nein. Es war so, wie ich es schon gesagt habe. Mein Vater ist ein Bauer auf dem Land von Lord Willoughby in Hampshire, und meine Mutter ist dort Haushälterin. Sie hat mich dazu ausgebildet, Zofe zu werden; aber ich wollte …" Sie verlor für einen Moment die Stimme und schluckte. "Ich wollte mehr. Meine Base arbeitet in London als Hausmädchen, und ich nahm an, dass ich es auch einmal schaffen würde, wenn ich nur hart genug
Weitere Kostenlose Bücher