Eine Braut fuer Lord Sandiford
lieber sterben möchte, als in das Bordell zurückzukehren. Sie flehte uns an, sie zur London Bridge zu bringen, damit sie ihr Leben beenden könne, denn sie glaubt, dass niemand ein Mädchen aufnimmt, das derart geschändet ist."
Clarissa schwieg und beobachtete, wie die Haushälterin zuerst ungläubig, dann entsetzt und schließlich widerstrebend mitfühlend dreinblickte. "Wenn sie tatsächlich unschuldig ist, warum sucht sie dann nicht ihre Verwandte auf oder kehrt aufs Land zurück?"
"Können Sie sich vorstellen, wie Molly sich fühlen würde, wenn ihr so etwas geschehen wäre? Glauben Sie, sie hätte es gewagt, Sie aufzusuchen? Oder wäre sie in der Lage gewesen, nach Hause zurückzukehren, um ihrer Mutter zu erzählen, was in London geschehen ist?"
Wieder schwieg sie einen Augenblick, um der Haushälterin die Gelegenheit zu geben, über ihre Worte nachzudenken. "Nein, ich vermute, dass sie sich zu sehr geschämt hätte", gab Mrs. Woburn schließlich zu.
"So sehr geschämt, um am liebsten zu sterben. Aber das ist doch nicht richtig, nicht wahr, Mrs. Woburn? Was passiert ist, war nicht ihre Schuld. Sie ist ein gutes, ehrliches junges Mädchen, das seine Situation verbessern und seiner Familie zur Ehre gereichen wollte. Wäre es nicht gerecht, ihm eine solche Chance zu geben?"
Die Haushälterin warf Clarissa einen misstrauischen Blick zu. "Sie meinen hier, Miss?"
"Ja, Mrs. Woburn. Aber ihre Lage ist, wie Sie wissen, besonders delikat. Die Bediensteten haben einen schlechten ersten Eindruck von Maddie gewonnen." Clarissa, die mit ihrem Vorgehen bisher zufrieden war, setzte nun zum Schlusswort an. "Ich hätte auch Timms ihre Geschichte anvertrauen können, aber Ihr Einfluss auf das Dienstpersonal ist sehr groß, Mrs. Woburn. Ich halte es außerdem für eine Angelegenheit, die eine Frau am besten versteht."
Da die zwei leitenden Diener ständig miteinander rivalisierten, erzielten Clarissas Worte genau die Wirkung, die sie erhofft hatte. "Männer verstehen nur selten irgendetwas", erwiderte Mrs. Woburn naserümpfend.
"Haben Sie also nichts dagegen, sie in unsere Dienste zu nehmen?"
"Ich werde schon noch ein Mädchen ausbilden können", erwiderte die Haushälterin.
"Und werden Sie sicherstellen, dass man sie gut behandelt?"
"Wenn ich sie so behandle, dann werden es die anderen auch tun."
"Ausgezeichnet. Missverstehen Sie mich nicht. Maddie soll ihre Arbeit natürlich genauso wie jedes andere Hausmädchen erledigen. Wenn sie das nicht tut, wird sie entlassen, ganz gleich, wie ihr Schicksal ausgesehen haben mag. Aber ich vermute, dass sie doppelt so hart wie die anderen arbeiten wird."
"Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich eine wie sie gern hier bei den Lakaien sehe, aber ich werde sie schon zu einer tüchtigen Zofe machen."
Clarissa war erleichtert. Wenn Maddie die Haushälterin auf ihrer Seite hatte, brauchte sie vor den restlichen Bediensteten keine Angst zu haben. Leutnant Standish hatte Recht gehabt.
"Schicken Sie Maddie bitte in mein Gemach, sobald sie gegessen hat, Mrs. Woburn. Ich möchte erfahren, was genau geschah, als man sie entführte."
Eine halbe Stunde später klopfte es an Clarissas Salon, und Maddie trat ein. Sie trug nun ein schlichtes graues Kleid und eine gestärkte Schürze. Sie hatte sich auch gewaschen, und unter dem Schmutz war ein hübsches Mädchen erschienen, dessen unschuldiger Ausdruck in starkem Gegensatz zu den Umständen stand, in denen es sich wieder gefunden hatte.
Dieser zarten jungen Frau sollte eigentlich von einem hübschen Lakaien der Hof gemacht werden, sie sollte an Hochzeit und Kinder denken. Doch das war eine Zukunft, die Maddie wahrscheinlich niemals beschieden sein würde, selbst wenn sie die Dienerschaft irgendwann einmal akzeptierte.
"Du siehst besser aus, Maddie."
Nachdem das Mädchen einen tiefen Knicks gemacht hatte, sah es Clarissa voll Bewunderung und Dankbarkeit an.
"Oh, Miss, wie kann ich mich Ihnen jemals erkenntlich zeigen? Mrs. Woburn hat mir gesagt, dass Sie mir eine Stelle in Ihrem Haus angeboten haben. Es war bereits sehr gütig von Ihnen, mich zu retten. Aber auch noch so etwas für mich zu tun, obwohl ich doch …" Das Mädchen wusste nicht weiter. "Sie sind ein Engel."
"Unsinn", sagte Clarissa. "Ich halte dich einfach für ein ehrliches Ding, das sich in meinem Haus ausgezeichnet machen wird."
"Sie werden es niemals bedauern, mich aufgenommen zu haben. Das schwöre ich Ihnen. Ich werde zwanzig Stunden am Tag arbeiten. Ich werde alles
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