Eine Braut fuer Lord Sandiford
bist zu streng mit Nicholas. Er ist ein sehr mitfühlender Mann", protestierte Sarah. "Du glaubst also, Michael zu lieben. Und nach deiner Verzweiflung zu urteilen, vermutest du, dass er deine Gefühle nicht erwidert."
Wieder musste Clarissa lachen, doch diesmal klang es freudlos. "Sie erwidert? Wie sollte er? Sandiford war doch derjenige, der mich am Covent Garden gefunden hat. Er hält mich für eitel, unbesonnen und verwöhnt. Wir können uns nicht unterhalten, ohne einander anzukeifen."
"Und dennoch glaubst du, ihn zu lieben?"
Clarissa seufzte. "Ich hoffe, dass es nicht stimmt. Aber wie sehr er mich auch aufbringt, so muss ich ihn doch bewundern. Es geht sogar so weit, dass ich ständig an ihn denken muss und mich auf nichts anderes konzentrieren kann. Und wenn ich ihn sehe, verspüre ich echte Freude, auch wenn ich weiß, dass er mich verachtet. Ich sehne mich danach, bei ihm zu sein. Diese Gefühle hat noch kein anderer Mann in mir ausgelöst." Bei diesem Geständnis traten ihr erneut Tränen in die Augen. "Es ist lächerlich, nicht wahr? Die herzlose Clarissa Beaumont, die schon so viele Verehrer abgewiesen hat, ist endlich verliebt. In einen Mann, der nichts von ihr wissen will."
"Bist du dir da sicher?"
"Oh, er begehrt mich. Es herrscht stets eine erregende Spannung zwischen uns, wenn wir uns sehen. Aber er hat mir bereits mehrmals unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich zu hübsch, zu impulsiv, extravagant und aristokratisch bin, um für ihn als Ehefrau infrage zu kommen."
Sarah strich ihr über die Hand. "Vielleicht. Aber du bist auch mutig, treu, deinen Freunden und deiner Familie ergeben und verfolgst das, was du für richtig hältst, ohne dich davon abbringen zu lassen."
Clarissa umarmte ihre Freundin. "Liebe Sarah, selbst wenn all das wahr wäre, will Oberst Sandiford eine Frau, die ruhig, bescheiden und zurückhaltend ist. Und das sind Eigenschaften, die ich bestimmt nicht besitze. Warum sollte er denn auch keine Dame finden, die mit all diesen Tugenden ausgestattet ist? Er verdient jemanden wie dich."
"Unsinn! Wir wissen beide, dass auch ich keine Heilige bin. Trotzdem …"
Auf einmal ergriff Clarissa Panik. "Sarah, ich verbiete dir, irgendetwas davon Sandiford zu erzählen. Es ist schon schlimm genug, diese törichten Empfindungen zu hegen. Ich will nicht auch noch von ihm bemitleidet werden."
"Beruhige dich, meine Liebe. Ich bin inzwischen alt genug, mich nicht in die Herzensangelegenheiten anderer einzumischen. Aber noch ist nicht alles verloren. Und du kannst sehr überzeugend sein, wenn du willst."
Verzweifelte Hoffnung stieg in ihr auf, verschwand aber genauso rasch, wie sie gekommen war. "Selbst wenn ich ihn tatsächlich für mich einnehmen könnte, so bleibt mir doch nicht mehr die Zeit dazu. Er hat bereits eine geeignete Kandidatin gefunden. Ich habe sie heute zusammen im Hyde Park gesehen, und sie schienen schon so vertraut miteinander zu sein, dass eine Verlobung wahrscheinlich nicht mehr lange auf sich warten lässt."
"Weißt du das genau?"
Clarissa nickte stumm, da es ihr plötzlich schwer fiel, zu sprechen. Die Vorstellung, dass der Oberst eine andere heiraten könnte, war einfach zu schrecklich.
Nun, sie musste damit zurechtkommen. Mit der Zeit würde sie schon lernen, ihre Gefühle zu verbergen und auch zu beherrschen. Seufzend umarmte sie Sarah ein weiteres Mal. "Ich muss jetzt gehen. Ich habe Mama versprochen, ihr ein Buch von 'Hatchard's' mitzubringen, und wenn ich mich nicht beeile, bin ich zu spät zum Mittagessen."
"Wir sprechen ein anderes Mal weiter. Aber tust du mir den Gefallen und redest mit Nicholas über die andere Angelegenheit? Ich weiß, dass du es allein erledigen willst, was ich auch verstehen kann. Aber ich würde mir weniger Sorgen machen, wenn ich wüsste, dass du dir von ihm helfen lässt, dieses Verbrechen vor Gericht zu bringen."
Clarissa zuckte mit den Achseln. "Wenn es dich beruhigt. Da ich mich sowieso schon bedrückt fühle, werde ich seine Kritik wohl auch noch ertragen können." Sie lächelte gequält.
"Er wird dich nicht kritisieren – das verspreche ich dir. Ich glaube, augenblicklich ist er in der Bibliothek. Sprich doch bitte gleich mit ihm, ja? Mir zuliebe. Schließlich bin ich eine Frau in anderen Umständen, die sich in ihrem Zustand keine Sorgen machen darf."
Clarissa lächelte. "Also gut. Ich werde den Löwen sogleich in seiner Höhle aufsuchen, wenn das meine Sarah glücklich macht."
Ein paar Minuten später
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