Eine Braut fuer Lord Sandiford
Gefühl, als ob sie etwas Lebensnotwendiges auf immer verloren hätte.
Sosehr sie sich darum bemühte, diese Empfindung zu leugnen oder sie nüchtern zu erklären, wusste sie doch tief in ihrem Herzen, dass sie töricht genug gewesen war, sich in Sandiford zu verlieben.
Was sollte sie tun? Welche Möglichkeiten standen ihr offen? Sie war nicht die Frau, nach der er suchte, und sosehr sie es auch versuchte – nichts konnte diese bedrückende Tatsache auslöschen.
Sarah entsprach dieser Frau. Es war also nicht verwunderlich, dass der Oberst sie geliebt hatte. Sie besaß all die Tugenden, nach denen er verlangte; außerdem war sie sanft, mitfühlend und warmherzig.
Zum ersten Mal in ihrem Leben beneidete Clarissa ihre Freundin. Voll Scham musste sie sich eingestehen, dass sie sich ihr stets überlegen gefühlt hatte, da sie schöner war. Doch jetzt würde sie gern all ihre angeblichen Vorzüge hergeben, wenn sie dafür die Art von Frau sein könnte, die Sandiford lieben konnte.
Auch wenn ihr eine Zukunft ohne diesen Mann entsetzlich trist erschien, so besaß sie doch zu viel Stolz, um ihm ihre Liebe zu gestehen. Sie konnte ihm nicht ihr Herz und ihr Vermögen zu Füßen legen, wenn er ihr beides zweifelsohne zurückgeben würde. Oder konnte sie das?
Tatsächlich würde sie wohl alles tun, um ihn für sich zu gewinnen, wenn die Hoffnung bestünde, dass es etwas nützen könnte. Doch das tat es nicht. Da der Oberst höchstwahrscheinlich seiner Jungfer bald einen Antrag zu machen gedachte, blieb ihr kaum mehr Zeit. Clarissa besaß nichts, wodurch sie seine Aufmerksamkeit erregen konnte – außer der Leidenschaft, die zwischen ihnen bestand, die er aber als oberflächlich zurückgewiesen hatte.
Völlige Hoffnungslosigkeit überfiel sie. Es gab keinen Weg, den Mann, den sie liebte, für sich zu gewinnen. Für einen Moment saß Clarissa reglos im Sattel und starrte ins Leere.
Schwindel überkam sie, und sie holte tief Luft. Du wirst es überstehen. Er wird sein Leben weiterführen und die tugendhafte Jungfer heiraten, während du mit deinem Leben fortfährst. Du bist stark und entschlossen. Du wirst es überstehen.
Die einzige Frage war, wie sie das schaffen sollte.
Obwohl sie kaum geschlafen hatte, stand Clarissa schon vor Sonnenaufgang auf. Sie ging zum Fenster, öffnete es und atmete die kühle Luft ein; draußen war es noch beinahe dunkel.
Der Ball, den sie gestern Abend besucht hatte, war genauso langweilig gewesen, wie sie sich das vorgestellt hatte. Sie hatte starke Kopfschmerzen bekommen und war auffallend früh zu Bett gegangen. Am besten gewöhnst du dich gleich daran. Dein restliches Leben wird nicht anders verlaufen.
Verärgert schloss sie das Fenster. Genug Selbstmitleid! Sie ging zum Bett und klingelte nach der Zofe.
Morgens ritt sie immer im Hyde Park aus, und das wollte sie auch heute tun. Beim Gedanken an den Park begann ihr Puls schneller zu schlagen. Der Oberst ritt des Öfteren auch früh am Tag aus, hatte ihr Sarah einmal mitgeteilt.
Clarissa versuchte, die Erregung zu unterdrücken, die sie ergriff. Wahrscheinlich ritt er nicht jeden Tag durch den Park. Bestimmt stand er so früh noch gar nicht auf. Und wegen ihm machte sie sich bestimmt nicht auf den Weg.
Da sie zu ehrlich war, sich selbst zu belügen, riss Clarissa ihr Reitkostüm selbst aus der Garderobe, ohne auf die Zofe zu warten, und zog sich ungeduldig an.
16. Kapitel
Morgendlicher Nebel hing noch über den Baumkronen, als Sandiford sein Pferd in den menschenleeren Hyde Park lenkte. Er wollte vormittags seine Mutter aufsuchen, um ihr die gute Nachricht über die finanzielle Verbesserung ihrer Lage mitzuteilen. Doch da er zu aufgewühlt war, um gelassen in seinem Zimmer zu sitzen, bis er zu ihr konnte, hatte er sich zu einem Ausritt entschlossen.
Da er seine Mutter dazu ermuntern wollte, sich wieder neue Kleider anzuschaffen und die Feste zu besuchen, auf die sie so gern gegangen war, hatte er sich nach dem Spaziergang mit Miss Motrum und Mrs. Cartwright zu seinem Anwalt begeben. Er wollte sich nach seiner augenblicklichen Situation erkundigen.
Zu seiner Überraschung war ihm Mr. Manners lächelnd entgegengekommen und hatte ihn auf ein Glas Portwein eingeladen. Als sie zusammensaßen, hatte ihm der Jurist erklärt, dass allem Anschein nach bereits über Lord Sandifords Bekanntschaft mit der Tochter des reichen Mr. Motrum gesprochen wurde. Es hieß, er würde dem Mädchen mit Einwilligung des Vaters den Hof machen. Mr.
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