Eine Braut muss her!
Vergnügungen findet? Heirate sie, zeuge Kinder mit ihr und geh dann deiner Wege. Denk daran, ich will nicht, dass du das Nachsehen hast, weil Hadleigh sie dir vor der Nase weggeschnappt hat!”
Kaum hatte Lord Hadleigh die Tür des Gesellschaftszimmers geschlossen, drehte Mary sich zu ihm um und äußerte in frostigem Ton: “Ich bezweifele, dass Ihnen daran liegt, mit mir Gemälde zu betrachten, die für Sie keine Bedeutung haben. Mir wäre es lieber, wenn wir uns in unsere jeweiligen Räume zurückziehen, einige Zeit verstreichen lassen und dann gemeinsam in den Salon zurückkehren.”
“Aber nein!”, entgegnete Russell gedehnt. “Erstens habe ich nicht den Wunsch, mich wieder zu den anderen Gästen zu gesellen, es sei denn in Ihrer Begleitung, und zweitens bin ich wirklich an den Bildern interessiert. Leider konnte ich des Krieges wegen keine Bildungsreise aufs Festland unternehmen, und mein Aufenthalt in Oxford war aus Gründen, die Ihnen gut geläufig sind, von kurzer Dauer. Mit den Jahren ist mir die Lust an einem leichtfertigen Lebenswandel jedoch vergangen, und ich habe beschlossen, mich mit substanzielleren Dingen zu befassen.”
Verblüfft überlegte Mary, warum sie wissen sollte, weshalb er nicht sehr lange in Oxford gewesen war, denn schließlich hatte er, nachdem sie so schäbig von ihm behandelt worden war, die Stadt aus eigenem Antrieb verlassen. Schon im Begriff, ihm zu sagen, sie könne ihm gedanklich nicht folgen, sprach sie jedoch nicht aus, was ihr auf der Zunge lag. Unvermittelt waren ihr die glücklichen Tage in Erinnerung gekommen, die sie mit ihm verbracht hatte. Sie ahnte, dass er nicht nur höflich gewesen war, als er behauptete, er lege Wert auf ihre Gesellschaft und wolle mit ihr die Gemälde anschauen.
“Also gut”, gab sie nach. “Ich werde Sie begleiten. Aber ich ersuche Sie mit allem Nachdruck, nicht zu vergessen, dass Sie geäußert haben, es sei für uns beide besser, wir verhielten uns so, als seien wir uns hier zum ersten Mal begegnet. Falls Sie auch nur eine Anspielung auf die Vergangenheit machen, ziehe ich mich zurück!”
“Wie es Ihnen beliebt, Madam”, erwiderte er lächelnd. “Ich freue mich schon auf das Wissen, das Sie mir vermitteln werden.”
Er zeigte tatsächlich großes Interesse an der Sammlung des Hausherrn, in der sich ebenso Tafelbilder des vierzehnten Jahrhunderts befanden wie Veduten flämischer Meister und Werke zeitgenössischer Maler. Zu Marys Überraschung waren seine Anmerkungen über die Meisterwerke sachkundig und zutreffend.
“Ich habe den Eindruck, Sir, dass Sie weitaus mehr von Malerei verstehen, als Sie behauptet haben”, sagte sie nach einer Weile erstaunt.
“Das mag sein”, räumte er ein. “Meine Kenntnisse habe ich meinem Bruder zu verdanken, der gern aquarelliert und sehr talentiert ist. Nun, er hat viele Begabungen, anders als ich.”
Lord Hadleigh hatte zwar nicht verbittert geklungen, aber seiner Stimme war ein sehnsüchtiger Unterton zu entnehmen gewesen. Er schien zu bedauern, dass manche Fähigkeiten ihm nicht gegeben waren.
“Noch hatte ich nicht das Vergnügen, Ihren Zwillingsbruder kennenzulernen”, erwiderte Mary und stellte verblüfft fest, dass es ihr nicht schwerfiel, sich mit Seiner Lordschaft unbefangen zu unterhalten. “Er war, wie ich mich erinnere, einige Jahre früher als Sie in Oxford, und zu jener Zeit war ich noch sehr jung.”
“Er ist schon mit fünfzehn Jahren aufs College gegangen”, sagte Russell. “Unser Vater war der Ansicht, dass Richard und ich nicht gleichzeitig dort sein sollten.”
Wieder hatte in Lord Hadleighs Stimme ein eigenartiger Unterton mitgeschwungen, den man als Stolz, aber auch als Groll hätte definieren können.
“Es gibt nur wenige Leute, mit denen mein Bruder Umgang pflegt”, fuhr Russell fort. “Nach dem Krieg hat er den Armeedienst quittiert und sich der Leitung des während seiner Militärzeit geerbten Landgutes zugewandt. Er hält sich nur selten in London auf.”
Da man am Ende der Galerie angekommen war, wies Russell auf ein Settée, das einem Gemälde von Tintoretto gegenüberstand. Nachdem man sich gesetzt hatte, betrachtete er angelegentlich Zeus, der in Gestalt eines Stieres Europa raubte, und fand, er hätte sich schon von dreizehn Jahren wie der Gott verhalten und Mary Beauregard entführen sollen, ehe sie in Bezug auf ihn einem Sinneswandel erlag. Hätte er das getan, wäre er sicher längst mit ihr vermählt und Vater mehrerer
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