Eine Braut von stuermischer Natur
und respektierte sie ihn, und sie genoss die Freuden des Ehebetts. Aber lieben? Wie konnte sie ihn nach so kurzer Zeit bereits lieben?
Ihre Eltern hatten eine wundervolle Ehe geführt, die von tiefer Liebe und Zuneigung geprägt gewesen war. Für Murie schien eine solche Beziehung eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Das Verhalten, das sie bei Hofe beobachtet hatte, nährte diese Vermutung, denn es war schlimmer als skandalös. Verheiratete Aristokraten tändelten mit Dienstmägden in dunklen Fluren herum, während ihre Gemahlinnen sich Liebhaber nahmen und diskrete, wenngleich nicht minder empörende Techtelmechtel eingingen. Sie hatte betrunkene Adlige erlebt, die ihre Frauen in der Öffentlichkeit verprügelten, und nüchterne Adlige, die ihre Ehefrauen öffentlich beschimpften und schlechter behandelten als ihren Hund. Balan hatte sie noch kein einziges Mal schlecht behandelt, und sie war sich recht sicher, dass er dies auch künftig nicht tun würde. Woher diese Überzeugung rührte, wusste sie nicht. Sie hielt Balan für einen Ehrenmann, der sich niemals zu einem solchen Verhalten herabließe.
Aber lieben …?
»Oh doch, ganz gewiss«, räumte sie leise seufzend ein. Sie liebte ihn. Allein schon aus diesem einen Grunde durfte sie ihn nicht verlieren. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, und dem Lump das Handwerk legen, der ihrem Gemahl nach dem Leben trachtete.
Balan erwachte aus tiefem Schlummer und öffnete die Augen. Es erfüllte ihn mit Erleichterung, dass sein Kopf nicht mehr schmerzte. Er nahm an, dass er das Muries Heilmitteln zu verdanken hatte. Als sie schließlich damit zurückkehrte, hatten sie wahre Wunder bewirkt. Der seltsame Aufguss, den sie ihm eingeflößt hatte, war von einem widerwärtigen, bitteren Geschmack gewesen, aber sein Kopf hatte rasch Linderung verspürt. Indes hatte der Trank ihn müde gemacht und er war sogleich wieder eingeschlafen.
Wie viel Zeit mochte vergangen sein? , überlegte er, derweil er durch die Kammer spähte. Das Schlafgemach war dämmrig und wurde lediglich von dem Kaminfeuer erhellt, das tanzende Schatten auf die Wände warf. Anfangs glaubte er, seine Gemahlin hätte ihn erneut alleingelassen, doch dann bemerkte er, dass sie vor dem Kamin auf einem Fell kauerte und im zuckenden Schein der Flammen einer Handarbeit nachging. Er betrachtete sie eine Zeit lang, während sie ganz auf ihr Tun konzentriert war. In dem blassgelben Stoff, den sie umsäumte, erkannte er Julianas neues Gewand. Plötzlich nahm er einen scharfen Geruch wahr, der die Luft erfüllte.
»Was ist das für ein Geruch?«, entfuhr es ihm. Es roch eindeutig nach Zwiebeln, auch wenn es keinen ersichtlichen Grund gab, weshalb das Gemach danach riechen sollte.
Murie sah von ihrer Näharbeit auf und blickt ihn verwundert an.
»Du bist wach?« Sie legte Julianas Gewand beiseite, sprang auf ihre Füße und strebte eilig zu dem Bett.
»Fürwahr«, bekräftigte Balan, kaum dass sie neben ihn auf die strohgefüllte Matratze sank und ihre Hand zärtlich auf seine Wange legte. Mit sorgenvollem Blick tastete sie vorsichtig sein Gesicht ab.
»Du siehst nicht mehr so blass aus, und deine Augen sind wieder klar«, murmelte sie. »Der Schlaf hat dir gutgetan. Wie geht es deinem Kopf?«
»Bestens«, grummelte er, ehe er wiederholte: »Was ist das für ein Geruch?«
»Welcher Geruch?«, fragte sie begriffsstutzig.
»Es riecht nach Zwiebeln«, befand er und lenkte seinen forschenden Blick einmal mehr durch die Kammer.
»Ja, es sind Zwiebeln«, antwortete Murie. Sie bückte sich nach einem Becher mit einer Flüssigkeit, den sie neben der Matratze abgestellt hatte. Dann straffte sie sich und hielt ihm das Gefäß hin. »Hier, trink das.«
»Nein, denn vorhin hat mich dieser Trank schläfrig gemacht.« Er winkte entschieden ab und fragte abermals: »Weswegen riecht es in unserem Schlafgemach nach Zwiebeln, Frau?«
»Weil ich in dieser Kammer Zwiebeln aufbewahre«, antwortete sie schlicht und hielt ihm erneut den Becher hin. »Es ist nicht derselbe Trank wie letztes Mal, sondern ein besonderer Kräuteraufguss, der dich kräftigen wird. Er wird dich nicht schläfrig machen. Hier, hinunter damit.«
Balan runzelte die Stirn, nahm den Becher und leerte ihn zur Hälfte mit einem langen Schluck, um dann innezuhalten und angewidert das Gesicht zu verziehen. »Er ist noch fürchterlicher als der letzte Trank. Was ist denn darin?«
»Rosmarin, Salbei, Johanniskrautwurzel und noch einiges andere«,
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