Eine Braut von stuermischer Natur
Bitte, erzähle uns, was du damit gemeint hast.«
Lauda rutschte auf der Kante der Holzbank herum, ehe sie einräumte: »Mmh, also deine Bedenken, den Richtigen zu finden … nun, vielleicht gibt es doch ein wenig Hilfestellung. Wisst ihr denn nicht, was vom St.-Agnes-Abend überliefert wird?«
»Nein, was denn?«, erkundigte sich Murie neugierig.
»Nun ja«, Lauda neigte sich verschwörerisch zu Murie, »es gibt da einen alten Brauch. Wenn man an St. Agnes den ganzen Tag fastet, dann träumt man in der Nacht von jenem Mann, den man heiraten wird.«
Als Murie und Emilie sie groß anschauten, lachte sie abermals verlegen auf und zuckte abschätzig mit den Schultern. »Wie gesagt, es ist ein dummer Aberglaube, ich weiß, und vermutlich funktioniert es auch gar nicht. Aber wäre es nicht fabelhaft, wenn es klappen würde?« Sie seufzte leise und geriet ins Plaudern. »Ich bin in einer ähnlichen Situation wie du, Murie. Mein Verlobter ist an der Pest gestorben, und mein Vater wünscht, dass ich mir einen anderen suche, derweil wir bei Hofe weilen, aber …« Sie spähte sich in dem überfüllten Saal um. »Hier sind so viele adlige Gentlemen, und ich kenne niemanden. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, für wen ich mich letztlich entscheiden sollte.«
»Wirklich eine schwierige Entscheidung«, bekräftigte Murie leicht verwundert, dass sie etwas mit jenem Mädchen verband, das ihr einst übel mitgespielt hatte.
»Ja, noch dazu für ein ganzes Leben«, murmelte Lauda und schob gestelzt nach: »Und ich zerstreutes Wesen hatte vergessen, dass die heilige Agnes mir möglicherweise aus diesem Dilemma helfen kann. Ich war leider so töricht, heute nicht zu fasten. Damit ist es aussichtslos für mich.«
Murie lächelte vergnügt. Sie fand, die Idee klang gar nicht so verkehrt. Natürlich würde sie ihre Entscheidung nicht von dem Ausgang des Experiments abhängig machen, Gott bewahre! Trotzdem wäre ein bisschen Unterstützung von den Heiligen keinesfalls zu verachten.
»Irrtum, Lauda«, mischte sich Malculinus als Tischherr seiner Schwester ein. »Es ist nicht aussichtslos für dich. Die Legende besagt, dass man entweder den ganzen Tag fasten oder abends vor dem Schlafengehen etwas Verdorbenes essen muss. Dann träumst du von deinem zukünftigen Bräutigam. Folglich steht es dir frei, etwas Verdorbenes zu essen und zu prüfen, ob die Legende einen wahren Kern hat.«
»Wirklich?« Lauda sah ihn unschlüssig an. »Bist du dir da sicher, Malculinus?«
»Ich glaube, er hat recht«, murmelte Emilie, worauf Murie ihre Freundin mit großen Augen ansah. »Jetzt, da er es erwähnt, fällt es mir wieder ein. Ich habe irgendwo gehört, dass man verdorbenes Fleisch essen muss.«
»Genau das ist es!« Lauda torpedierte Murie mit einem triumphierenden Lächeln. »Es steht dir frei, es auszuprobieren. Vielleicht begegnet dir dann im Traum dein Zukünftiger.«
Murie knabberte gedankenverloren an ihrer Unterlippe. Einen Tag lang fasten ließ sich gerade noch an, aber verdorbenes Fleisch essen? Pfui, bah, igitt! Unseligerweise war es für einen Fastentag zu spät. Angeekelt rümpfte sie die Nase und schlug vor: »Wieso probierst du es nicht heute Abend aus, und wenn es klappt, werde ich gleich morgen deinem Beispiel folgen.«
»Es funktioniert nur am St.-Agnes-Abend«, gab Lauda kopfschüttelnd zurück. »Nein, ich fürchte, die Entscheidung bleibt dir nicht erspart: entweder heute Abend oder gar nicht.«
»Und was ist mit dir?«, hakte Emilie nach. Als Lauda sie mit vor Entsetzen geweiteten Augen musterte, gab Emilie zu bedenken: »Ich meine, du gibst meiner Freundin gute Ratschläge, dabei bist du doch selbst auf der Suche nach einem Ehemann, nicht wahr?«
»Ach, ich hab’s nicht so eilig mit dem Hei…«, wiegelte Lauda ab, doch Malculinus fiel ihr ins Wort.
»Aber natürlich ist sie auf der Suche nach einem Ehemann. Murie und Lauda können das Experiment gemeinsam machen.« Als seine Schwester zu ihm herumfuhr, meinte er ungerührt: »Du brauchst bald einen Gemahl, und Murie möchte verständlicherweise nicht als Einzige den Versuch wagen. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Womöglich findet ihr im Schlaf die Antwort auf die Frage, die euch beide so ausnehmend beschäftigt.«
Nach einem tödlichen Blick zu ihrem Bruder drehte Lauda sich wieder zu Murie, die eben seufzend bekannte: »So schön ein bisschen Hilfe von den Heiligen scheinen mag, ich bin mir dennoch nicht sicher, ob ich verdorbenes Fleisch essen mag, um
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