Eine Braut von stuermischer Natur
dass Balan nichts anderes übrig geblieben war, als sich ihren Wünschen zu fügen. Dann hatte sie dafür gesorgt, dass der Unfall irgendwo im Wald passierte, ohne lästige Zeugen oder verräterische Spuren. Ungeachtet dessen wäre gewiss niemand auf die Idee gekommen, Murie eines Attentats auf ihren Gemahl zu beschuldigen, da man bei Hofe vermutlich nicht einmal ahnte, dass sie Anlass hatte, ihm zu grollen.
»Balan sieht dich die ganze Zeit so merkwürdig an. Habt ihr zwei euch gestritten, bevor ihr auf deiner Stute ins Lager zurückgeritten seid?«, erkundigte Emilie sich, als sie sich am Abend am Lagerfeuer ausruhten.
Murie warf einen kurzen Blick zu ihrem Gatten. Er stand auf der anderen Seite des Lagers und unterhielt sich mit einem der Männer. Dabei beobachtete er sie aus nachdenklich zusammengekniffenen Augen. Eigentlich hatte sie ihm längst verziehen, aber wenn er nicht den ersten Schritt machte, dann war auch sie nicht gewillt einzulenken. Immerhin war sie diejenige gewesen, die den ganzen Tag in dem wackligen Pferdewagen gesessen hatte und nicht er. Das war an Unbequemlichkeit schwerlich zu übertreffen. Männer glaubten wohl allen Ernstes, dass Frauen in solchen Gefährten besser aufgehoben seien, dabei wurden sie dort mindestens genauso durchgerüttelt wie auf einem Pferd. Ihr schmerzten sämtliche Glieder, als sie am Abend ausstiegen und ihre nächtliche Rast einlegten. Zu allem Überfluss hatte sie mit einem Mal Magenschmerzen. Es war kein guter Tag für sie gewesen.
Seufzend rieb sie über ihren Bauch und blinzelte abwesend in die tanzenden Flammen. Dann fiel ihr ein, dass Emilie sie etwas gefragt hatte. »Nein, nicht wirklich. Er ist bloß verstimmt, weil ich ihm auf den Kopf zugesagt hab, dass es ein Fabelpferd war, das heute Morgen mit ihm durchgegangen ist.«
»Was war das gerade? Ein Fabelpferd?«, fragte Emilie verständnislos. »Tut mir leid, aber das begreife ich nicht.«
»Pass auf. Ich erkläre es dir schnell«, hob ihre Freundin an. »Balan ist gestern Abend in Johanniskraut getreten, und das ist ein böses Omen. Da wusste ich gleich, dass ein Fabelpferd mit ihm durchgehen würde … oder ein Pferd, das von einem Fabelpferd besessen ist.«
Emilie prustete los. »Oh Gott, Murie. Du und dein grässlicher Aberglaube. Wenn der nicht wäre, dann wärst du als Frau perfekt.«
Murie krauste die Stirn. »Entschuldige, aber …«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, versetzte Emilie hastig. »Wenn du perfekt wärst, würde ich dich schon aus Prinzip hassen.«
»Oh«, murmelte ihre Freundin, unschlüssig, wie sie das aufnehmen sollte. Beide verstummten, und Muries Augen schweiften unwillkürlich wieder zu ihrem Mann. Sie hatte so gehofft, er würde heute Abend wieder mit ihr zum Frischmachen gehen und sie vielleicht küssen … und … Aber daraus wurde nichts. Reginald hatte die beiden Frauen zum Fluss geführt und sich höflich umgedreht, als sie sich wuschen. Balan, so schien es, war zu beschäftigt, um sich zu kümmern.
Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn erneut anstarrte, und wollte sich von ihm abwenden. Dabei fiel ihr Balans ungesunde Gesichtsfarbe auf. Sie erstarrte. Vielleicht lag es nur am zuckenden Feuerschein, denn seine Gesichtshaut war aschgrau, stellte sie mit Besorgnis fest.
»Murie, fühlst du dich nicht gut?«, fragte Emilie. »Du hältst dir andauernd den Bauch und du siehst blass aus, obwohl sich das bei dem Licht schwer einschätzen lässt.«
»Nein, du hast recht«, räumte Murie ein. »Mein Magen macht mir Schwierigkeiten. Die Fahrt in dem Wagen ist mir wohl nicht sonderlich gut bekommen. Wie hältst du das bloß aus?«
»Ich hatte keine Wahl. Sonst hätte Reginald mich gar nicht erst mitgenommen. Und ich wollte dich unbedingt wiedersehen.«
»Oh«, hauchte Murie. Ihre Augen wurden verräterisch feucht. »Du musst mich wirklich sehr lieb haben. Danke, Emilie.«
»Murie?« Emilies Stimme überschlug sich fast. »Was hast du? Du siehst …«
»Hast du zufällig zwei Gesichter?«, fiel Murie ihr ins Wort, dann fühlte sie, wie sie nach vorn kippte und gegen ihre Freundin sank.
10
»Wie fühlst du dich? Geht es dir wieder besser?«, erkundigte sich Osgoode mitfühlend.
Balan, der lang ausgestreckt im Gestrüpp am Boden lag, schlug die Augen auf. Statt einer Antwort stöhnte er und rollte sich auf die Seite, übermannt von einem neuerlichen Würgereiz. So war es ihm fast die ganze Nacht ergangen. Er hatte sich ständig übergeben müssen und seinen
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