Eine Braut von stuermischer Natur
nicht glücklich über die Veränderung und drohten unter ihr nachzugeben, aber Murie hatte ein dringendes Bedürfnis. Sie konnte nicht darauf warten, dass ihre Beine sich einigten, ob sie sie tragen wollten oder nicht.
Eines ihrer Kleider lag zerknittert in den Binsen neben dem Bett, irgendjemand musste es ihr ausgezogen haben. Sie hob es auf, schüttelte es behutsam aus und hielt es sittsam vor ihren Körper. Dann tappte sie leise zur Tür und stützte sich dabei mit einer Hand an der Wand ab, angestrengt darauf bedacht, das Gleichgewicht zu halten.
»Murie! Was machst du denn da?«
Emilies schockierte Stimme ließ sie zusammenfahren. Murie drehte zaghaft den Kopf und lächelte, heilfroh, ihre Freundin zu sehen. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war.
»Wo sind wir?«, wollte sie wissen, als Emilie zu ihr aufschloss.
»Auf Schloss Reynard«, antwortete Emilie und fasste stützend ihren Arm. »Du gehörst ins Bett, meine Liebe. Du warst sehr krank.«
»Ich muss mal«, murmelte Murie, die Emilies Bemühungen widerstand, sie zurück ins Zimmer zu schieben.
»Oh.« Emilie zögerte, ehe sie milde seufzend einen Arm um die Schultern ihrer Freundin legte. »Dann komm, ich helfe dir.«
»Danke«, murmelte Murie. Unterwegs huschte ihr Blick neugierig durch die Flure und Gänge. Sie hatte nie die Erlaubnis bekommen, Emilie woanders als auf Schloss Windsor zu treffen. Ihre Freundin hatte stets zu ihr zu Besuch kommen müssen.
»Dein Zuhause gefällt mir, Emilie«, sagte sie, während sie durch die Eingangshalle glitten.
Ihre Freundin lachte fröhlich auf. »Ja, es ist schön hier. Aber du hast bislang nicht mehr als deine Kammer und die Eingangshalle gesehen. Bevor ihr wieder fahrt, zeige ich dir alles«, setzte sie hinzu.
»Ich vermag mich nicht mehr an unsere Ankunft zu erinnern«, räumte Murie zögernd ein. »Ich weiß nur noch, dass wir am Abend irgendwo Rast gemacht haben, nachdem wir beide den ganzen Tag in dem rumpelnden Kutschwagen verbracht hatten.«
»Erinnerst du dich denn noch, wie dir plötzlich übel wurde?«
»Ja.« Murie zog die Nase kraus. »Meinem Magen ist die Fahrt in dem Wagen nicht bekommen.«
»Es lag nicht an der Kutschfahrt«, sagte Emilie leise. »Jemand hat versucht, euch zu vergiften.«
»Was?« Wie vom Donner gerührt blieb Murie stehen und maß ihre Freundin mit schreckgeweiteten Augen.
»Das Gift war nicht für dich bestimmt«, sagte Emilie schnell. »Wir glauben, dass es Balan treffen sollte, aber du hast die Hälfte des Fleisches gegessen, das du ihm serviert hast.«
»Das Fleisch war vergiftet?«, fragte Murie fassungslos. »Aber ich habe es eigenhändig gewürzt und gebraten.«
»Ja, aber danach bist du mit mir zum Baden zum Fluss hinuntergelaufen, und in der Zeit hing der Bratspieß unbeaufsichtigt über dem Feuer, nicht wahr?«
»Ganz recht«, erinnerte sie sich, dann fiel ihr noch etwas ein. »Ich habe Balan erzählt, dass jemand sterben wird, wenn man den Ruf des Brachvogels hört. Hätte ich nicht von dem Fleisch gegessen, wäre es wohl so gewesen.«
»Ähm …« Emilie versagte sich ein Grinsen. »Wie dem auch sei, die Männer vermuten, das Bratenfleisch wurde vergiftet, als wir am Fluss waren. Und dass Balan dir aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben verdankt, weil du schon die Hälfte verspeist hattest, bevor du es ihm serviert hast.«
»Ich hatte mehr als die Hälfte gegessen.« Murie zog eine Grimasse. »Ich wollte es eigentlich nicht, aber der Braten schmeckte so gut, dass ich immer wieder davon probieren musste.«
»Damit hast du ihm vermutlich das Leben gerettet, aber dein eigenes beinahe verloren. Du warst sterbenskrank.«
Murie seufzte. »Ach weißt du, das macht mir nicht viel aus. Besser so, als wenn ich meinen Gemahl verloren hätte.«
Emilie fasste ihr Eingeständnis mit einem verständnisvollen Lächeln auf. »Balan war in großer Sorge um dich. Er hat sich mehr tot als lebendig in unser Zelt geschleppt, weil er nach dir sehen wollte. Kaum hatte er deine Schlafstatt erreicht, ist er ohnmächtig neben dir zusammengebrochen.«
»Oh, der Ärmste«, hauchte Murie mitfühlend.
»Und am nächsten Morgen schwang er sich auf sein Pferd und nahm dich für das letzte Stück Ritt in seine schützende Umarmung. Reginald und ich erklärten ihm zwar mit Engelszungen, dass wir mit der Weiterreise warten könnten, bis ihr euch wieder erholt hättet, aber damit stießen wir bei Balan auf taube Ohren. Er wollte so schnell wie möglich in Reynard eintreffen, wo meine
Weitere Kostenlose Bücher