Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
alte Uhr über meinem Kopf schlägt einmal. Halb zehn. Allmählich wird es dunkel.
Im Dämmerlicht kann ich Hannah erkennen, die über die untere Türhälfte von Macs Box gebeugt ist. Ich kann ihre leise Stimme vernehmen, als sie ihm etwas zuflüstert.
Gerade will ich sie rufen, als hinter ihr ein Schatten auftaucht.
Es ist Jake.
Erschrocken fährt Hannah herum. Als sie ihn erkennt, lächelt sie sanft. Ich bin hin und her gerissen zwischen freundschaftlicher Diskretion und gespielter elterlicher Fürsorge. Die Diskretion siegt, da ich immer noch nachsichtiger Stimmung bin. Also schleiche ich wieder durch den Torbogen und kehre zum Haus zurück.
Big Ben läutet gerade zu den Zehnuhrnachrichten, als ich erneut die Hintertür höre. Hannah steckt den Kopf zur Wohnzimmertür herein und grinst mich dümmlich an.
»Hi, Fliss. Tut mir Leid, dass ich mich vorhin so angestellt habe. Das ist keine Entschuldigung, ich weiß, aber ich bin wirklich müde, und dann bin ich immer gereizt. Ich geh dann wohl besser mal ins Bett.«
Charlie kommt knapp eine Stunde später zurück, ebenfalls mit besserer Laune. Wir schleppen den faulen Darius zu einer kurzen Gassirunde hinaus ins Mondlicht, und dann hilft er mir beim Abschließen.
Ich höre Caro und David zurückkommen. Es ist etwa zwei Uhr morgens. Anscheinend haben sie tüchtig gebechert. Caro singt leise, und David macht laut »Pssst«. Ein dumpfer Schlag ist zu hören, gefolgt von unterdrücktem Gelächter, als einer von ihnen auf der Treppe stolpert. Dann geht die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Mehr Gelächter, ein quietschender Lattenrost, heftiges Kichern und zehn Minuten später ein leises Brummen, als David anfängt zu schnarchen.
Eine halbe Stunde liege ich wach. Es fällt mir immer schwer, wieder einzuschlafen, wenn ich mitten in der Nacht aufgewacht bin. Nachdem ich endlose Schäfchen gezählt habe, dämmere ich gerade wieder einer glückseligen Bewusstlosigkeit entgegen, als ich plötzlich das schwache Klicken der Hintertür vernehme, die leise geöffnet und wieder geschlossen wird. Sofort bin ich so wach wie ein Jagdhund, der den Fuchs gewittert hat.
Ich sitze aufrecht da und lausche den Fußtritten, die leise über die Holztreppe kommen. Ich schlüpfe aus dem Bett, schnappe mir einen Schürhaken vom Kamin und schleiche zur Tür. Vorsichtig taste ich nach dem runden Holzknauf, drehe ihn ganz langsam und ziehe leise mit erhobenem Schürhaken die Tür auf, um einem eventuellen Einbrecher eins überziehen zu können, bevor er mir eins überzieht. Der Schatten am Kopf der Treppe erstarrt mitten im Schritt, wie ein zitternder Windhund, der die Pfeife seines Herrchens hört.
Auch ich zittere leicht. Wie es heißt, spukt es in Angels Court. Obwohl ich das natürlich lächerlich finde, kommt es einem nach Mitternacht wahrscheinlicher vor. Gespenster schleichen jedoch nicht mit abgetragenen roten Kickers in der Hand durchs Haus.
»Hannah!«, zische ich, und meine Erleichterung verwandelt sich in Wut. »Ich dachte, du bist schon vor Stunden zu Bett gegangen.«
Sie sieht erst mich und dann die geschlossene Tür von Caros und Davids Schlafzimmer an, das neben meinem liegt. Wieder quietscht der Lattenrost, als sich jemand bewegt. Wie zwei Verschwörer schlüpfen wir in mein Zimmer.
»Wo hast du gesteckt?«, flüstere ich verärgert und schließe leise die Tür hinter mir.
Sie setzt sich auf das Fußende meines Bettes.
»Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass ich verliebt bin?«
»Ich würde sagen, dass das keine Antwort auf meine Frage ist.«
»Ich war in Woodman’s Cottage.« Ihre Augen glänzen, und ihre Pupillen sind geweitet. Sie sieht aus, als hätte sie getrunken.
»Bei Jake?«
»Bei Jake«, bestätigt sie und bemüht sich um eine verlegene Miene, was ihr schmählich misslingt, da ein dreistes Grinsen ihr hübsches Gesicht schmückt.
»Vermute ich richtig, dass du meinst, du wärest in ihn verliebt?«
»Ich meine nicht, ich wäre in ihn verliebt, ich bin in ihn verliebt«, erklärt sie entschieden.
Oh, die Gewissheit der Jugend.
»Du kennst ihn gerade mal fünf Minuten!«
»Fast drei Tage, um genau zu sein.«
»Ach, und das ist also eine lange Zeit?«
»Mir war gar nicht bewusst, dass Zeit eine Voraussetzung ist, um sich zu verlieben«, entgegnet sie entrüstet. »Tut mir ja so Leid, Jake, aber ich kann mich nicht in dich verlieben, die obligatorischen sechs Monate sind noch nicht vorbei! Also wirklich, Fliss, ich hätte gedacht, du würdest
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