Eine Braut zu Weihnachten
auch ich immer recht habe.«
»Sie ist viel zu selbstständig und unabhängig.«
Sebastian nickte. »Wie ich.«
»Ja, aber sie ist eine Frau, und deshalb ist es ungebührlich.«
Er verkniff sich ein Lächeln. »Erzähl mir mehr.«
Portia zögerte. »Obwohl sie die stärkste Frau ist, die ich kenne, ist sie, glaube ich, verletzlicher, als sie erscheint.«
»Du meinst, vieles ist nur Fassade bei ihr?«
»Versteh mich nicht falsch. Ich denke nur, das es viel gibt, was sie nicht verrät.« Sie kniff ihre Augen zusammen. »Und ich könnte es nicht ertragen, jemanden mit ihren Gefühlen spielen zu sehen.«
»Ich habe nicht die Absicht, mit ihren Gefühlen zu spielen.«
Portia schnaubte nicht gerade damenhaft. »Dann hast du dich aber auch verändert, Sebastian Hadley-Attwater.« Eine Warnung schwang in ihrer Stimme mit, als sie hinzufügte: »Veronica ist keine Frau, mit der man spielt.«
»Da hast du völlig recht, glaube ich.« Sein Blick kehrte zurück zu Lady Smithson. »Sie ist keine Frau, mit der man spielt.« Lady Smithson hatte den Arm ihrer Tante genommen und steuerte sie entschieden in Richtung Tür. Der Anblick entlockte ihm ein Lächeln. »Sie ist die Art von Frau, die man heiratet.«
Kapitel Vier
G roßer Gott, sie war eine Närrin.
Veronica zog ihren Umhang fester um sich und ließ sich ein wenig tiefer in den gut gepolsterten Sitz ihres offenen Landauers gleiten. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, Sir Sebastian zu verstehen zu geben, sie würde heute im Park spazieren fahren? Wahrscheinlich war sie viel zu abgelenkt gewesen von der Notwendigkeit, ihre Tante von Sir Hugo loszueisen, bevor einer den anderen mit mehr als nur Worten verletzen konnte. Ihr war jedoch auch bewusst gewesen, dass sich um diese Jahreszeit nur wenige Leute im Park aufhalten würden, was ihren Zwecken dienlich war. Denn so gern Veronica sich über Konventionen hinwegsetzte, zog sie es doch vor, nicht unnötigerweise Kritik hervorzurufen. Und hier im Park befand man sich einerseits zwar in aller Öffentlichkeit, wo niemandem etwas Ungehöriges vorgeworfen werden konnte, während man andererseits ohne die üblichen Besucher jedoch auch eine gewisse Ungestörtheit fand. Während der Saison konnte man sich kaum schneller als im Schneckentempo vorwärtsbewegen, aber eine Ausfahrt diente in dieser Zeit ja eigentlich auch nur dazu, Leute zu sehen und gesehen zu werden. Und obwohl sie wirklich gern bei kühlem, frischem Wetter ausfuhr, war in diesem Jahr aus der Kühle sehr schnell echte Kälte geworden. Sogar im Oktober hatte es schon geschneit, und dann im November noch einmal. Wer wusste, was der Dezember bringen würde?
Ihre Dienstboten hielten sie zweifellos für völlig verrückt, als sie verlangte, das Verdeck herunterzulassen. Ihr Kutscher hatte versucht, sie davon abzubringen, ebenso wie ihr Butler und ihre Zofe, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. Veronica änderte nur sehr selten ihre Meinung. Warum hatten sie nicht einfach gesagt: »Aber Mylady, es ist verdammt kalt dort draußen.« Sie ignorierte den Gedanken, dass sie es auf ihre Weise vielleicht sogar getan hatten. Doch ganz so schlimm war es trotz allem nicht. Sie hatte eine warme Decke über den Beinen und einen aufgeheizten Ziegelstein zu ihren Füßen. Und die Kälte war eigentlich sogar sehr belebend, sobald man aufhörte zu frösteln.
Eine Kleinigkeit wie das Wetter würde einen Abenteurer wie Sir Sebastian doch gewiss nicht fern halten. Aber Veronica fragte sich doch langsam, wo er blieb. Nervös richtete sie sich auf und ließ den Blick über den Park gleiten, bevor sie seufzend wieder in die Polster zurücksank. Vielleicht war sie nicht deutlich genug gewesen. Oder zu deutlich. Vielleicht hatte sie ihn abgeschreckt mit ihrem Hang zu hitzigen Debatten und ihrem fortschrittlichen Denken? Dennoch sollte man meinen, dass es mehr als ihre unverblümte Art erfordern würde, einen Mann von Sir Sebastians Mut und innerer Stärke abzuschrecken, als der er sich durch seine Abenteuer erwiesen hatte, vorausgesetzt natürlich, dass das nicht auch nur eine Illusion war. Womöglich war er genauso nervös wegen dieses Treffens wie sie selbst.
Veronica war es nicht gewöhnt, nervös oder unsicher zu sein – aber dann wiederum hatte sie ja auch noch nie zuvor einen Mann erobern wollen. Und wenn sie es recht bedachte, war sie nicht einmal ganz sicher, was sie tat oder wie sie es anstellen sollte, ihr Ziel zu erreichen. Unwillkürlich verzog sie das Gesicht.
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