Eine Braut zu Weihnachten
Sie hatte Portia nur aufziehen wollen, als sie sagte, es sei ja nicht so, als suchte Sebastian per Inserat eine Geliebte, aber eigentlich war es schade, dass es nicht so war. Es hätte die Sache viel leichter und unkomplizierter gemacht, sich um eine Stellung bewerben zu können, ohne ihre Beweggründe erklären zu müssen.
Wie schön es wäre, ihm einfach sagen zu können, sie habe sich aus einer Reihe von Gründen, die ihn eigentlich nichts angingen, zu dieser Vorgehensweise entschlossen. Und darüber hinaus nur noch hinzuzufügen, sie habe ihn aus Gründen gewählt, die ihn nichts angingen, die er jedoch gerne hören könne, wenn er wollte.
Sie setzte sich gerader hin und bemerkte eine einzelne, ihr vertraut erscheinende Person, die zu Fuß über das verschneite Gras in ihre Richtung kam. Ihre innere Anspannung wich Erleichterung. Seine großen Schritte und seine ganze Haltung waren von Entschlossenheit geprägt, als hätte er ein sehr viel dringenderes Anliegen als nur eine Spazierfahrt durch den Park. Veronica unterdrückte ein zufriedenes Lächeln, weil es hier ja in der Tat nicht nur um eine Spazierfahrt ging.
Schon lange bevor sie seine Cousine kannte, waren Veronica Sir Sebastians Bücher und Abenteuer bekannt, auch wenn sie damals nicht besonders interessiert daran gewesen war. Aber er war schließlich ein sehr bekannter und berühmter Mann, und ihr Ehemann, einer seiner Bewunderer, hatte alle seine Bücher in seiner Bibliothek stehen. Veronica hatte sie jedoch erst vor einigen Monaten gelesen und war sich nun gar nicht sicher, ob die Idee, Sir Sebastians Geliebte zu werden, mit dem Lesen seiner Bücher zusammenhing oder ob es nur ein glücklicher Zufall war, dass sie etwa um dieselbe Zeit, als sie beschlossen hatte, eine Geliebte statt einer Ehefrau zu werden, sich auch für den Mann hinter den Büchern zu interessieren begonnen hatte. Nicht, dass es irgendetwas an der Sachlage geändert hätte, dass er mit einer ihrer engsten Freundinnen verwandt war, aber es war doch ziemlich praktisch, fand sie.
Er kam näher und ihr Herz schlug schneller. Aus Nervosität natürlich, und vielleicht kam auch ein bisschen Angst hinzu. Denn obwohl Veronica sich freimütig zu allen möglichen Themen äußerte und ihre ganz eigenen Vorstellungen von Moral und Etikette hatte, die bei anderen, die sich von strikten Anstandsregeln leiten ließen, durchaus Anstoß erregen konnten, war sie nie mit einem anderen Mann als ihrem Ehemann zusammen gewesen. Sie war nie von einem anderen Mann als Charles verführt worden und auch überhaupt nicht abgeneigt gewesen, sich von ihm verführen zu lassen. Gelegentlich hatte sie sich gefragt, ob irgendeine andere Frau es wäre oder je gewesen war. Charles war ein berühmt-berüchtigter Lebemann gewesen, als sie ihm begegnet war, zumindest in Bezug auf Frauen, was jedoch keineswegs bedeutete, dass sie ohne reifliche Überlegung in seinem Bett gelandet war. Sie war viel zu stolz, um sich so gering zu schätzen. Aber zugegebenermaßen hatte sie ihn mit einer Heftigkeit begehrt, die sie noch nie zuvor empfunden hatte. Es war ebenso sehr Lust wie Liebe gewesen, und sie war nicht enttäuscht worden. Veronica fand es äußerst seltsam, dass für viele Ehefrauen intime Beziehungen mehr eine lästige Pflicht als ein Vergnügen waren. Aber andererseits war Charles ja auch wirklich einzigartig gewesen … und sie war es auch.
»Henry«, rief sie ihrem Kutscher zu. »Halten Sie den Wagen an.«
»Aber Lady Smithson«, begann er, aber dann sah er Sir Sebastian, und ein Ausdruck des Begreifens erschien auf dem Gesicht des Dieners. »Möchten Sie ein Stück zu Fuß gehen, Mylady?«, fragte er sie mit einem prüfenden Blick.
»Nicht in diesen Schuhen.« Ihr Blick heftete sich auf Sir Sebastian, und ein Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, als er ihr zuwinkte und seinen Schritt beschleunigte. »Ich vermute, dass Sir Sebastian mir Gesellschaft leisten wird.«
»Wie Sie wünschen, Mylady«, sagte Henry mit unbewegter Miene, aber einem Hauch von Anerkennung in der Stimme.
Portias Verwandte waren nicht die einzigen, die der Meinung waren, dass drei Jahre Trauerzeit für eine Frau ihres Alters lang genug waren. Wenn Henry jedoch wüsste, was genau sie vorhatte, würde sich seine Missbilligung auf seinem Gesicht zeigen. Der Vorteil langjähriger Dienstboten war ihre außer Frage stehende Loyalität. Sie waren fast ebenso sehr ein Teil ihrer Familie wie ihre Blutsverwandten. Auf der anderen Seite war
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