Eine Chance für die Zukunft (German Edition)
einsteigen
soll. Als ich sie angeschnallt habe und die Tür schließe, steht Colin hinter
dem Auto und sieht mich durchdringend an.
„Du hast eine dreijährige
Tochter?“ zischt er mit zusammengebissenen Zähnen.
„Wann zum Teufel wolltest
du mir das sagen?“
Oh nein, er ist jetzt richtig
sauer. Bevor ich antworten kann, sehe ich wie die Erkenntnis in sein Gehirn
vordringt. Seine Augen werden groß. Ungläubig sieht er auf den Wagen, in dem meine
Tochter sitzt.
„Ist sie…?“
Weiter kommt er nicht. Ich
will diese Frage nicht hören und unterbreche ihn sofort.
„Jetzt nicht, Colin! Wir
müssen los.“
Schnell steige ich ein und
knalle die Autotür hinter mir zu.
Anscheinend fällt ihm der
Arzttermin wieder ein, denn er tritt zurück als ich den Motor starte und aus
der Einfahrt zurück auf die Straße setze. Im Rückspiegel sehe ich, wie er uns
bewegungslos hinterher starrt. Ich versinke in meinen Gedanken bis Lilly fragt:
„Mummy, kennst du den Mann?“
Ja, ich kenne ihn. Wie gut,
kann ich einer Dreijährigen wohl nicht erklären. Ich sage ihr, er wäre einfach
ein Bekannter und hoffe, dass sie nicht weiter fragt.
Als wir im Wartezimmer
sitzen, ist der erste Schreck über die Begegnung abgeklungen und ich frage mich
zum ersten Mal, woher Colin meine Adresse hatte. Ich weiß ganz sicher, ich habe
sie ihm nie gegeben, um genau das zu verhindern, was eben passiert ist. Warum
nur war ich zu feige mit ihm zu reden? Jetzt ist die Katastrophe perfekt. Colin
ist nicht blöd. Er wird ungefähr eine Millionen Fragen haben und ich habe keine
Antworten für ihn.
Das Wochenende rauscht wie
im Nebel an mir vorbei. Lilly ist wieder komplett fit und tobt durch Haus und
Garten. Ich versuche mich abzulenken, schreibe ein bisschen an meinem Buch
weiter, lande aber in Gedanken immer wieder bei Colin und sehe sein erstauntes
Gesicht vor mir, als ihm dämmert, was Lilly ihm da gerade erzählt hat. Ich
frage mich immer wieder, woher er meine Adresse hat. Sie ist nirgendwo
verzeichnet. Ich habe Angst vor den Fragen, die er zwangsläufig irgendwann
stellen wird.
Am Samstag schreibe ich Jules
eine lange Email und bringe sie auf den neuesten Stand, erzähle, wie Colin
plötzlich in meiner Einfahrt stand und von Lilly erfahren hat.
Ein paar Stunden später
kommt ihre Antwort.
„Annie, es bleibt dir
nichts anderes übrig. Liebst du ihn? Dann rede mit ihm und erzähl ihm ALLES!
Ansonsten wirst du ihn verlieren.“
Ich glaube es ist zu spät.
Ich habe ihn bereits verloren. In dem Moment, als er Lilly kennenlernte, habe
ich ihn verloren. Der Gedanke lässt mich nicht mehr los. Ich habe das Gefühl,
es bricht mir das Herz. Ja, anscheinend liebe ich ihn. Ich bin so verzweifelt,
dass ich mich in den Schlaf weine. Nachts werde ich wach und bin total verheult,
mein Kissen ist klatschnass. Ich weiß, ich hatte einen Albtraum, aber ich kann
mich nicht daran erinnern. Die letzten Wochen waren für mich eine emotionale
Achterbahnfahrt, ich bin total erledigt und muss mich zusammenreißen, um meine
Laune nicht an Lilly auszulassen.
Sonntagabend kommt eine
SMS von Colin. Kurz und knapp.
„Wir müssen reden. Morgen
früh. Coffeeshop.“
Ich weiß nicht so recht,
was ich darauf antworten soll. Colin ist anscheinend echt sauer, und das zu
Recht. Selten habe ich so einen Mist gebaut. Ich bin feige und schreibe nicht
zurück.
In der Nacht zu Montag
finde ich wieder keinen Schlaf, werfe mich nur unruhig im Bett hin und her. Um
fünf Uhr morgens stehe ich auf und gehe duschen. Als ich Lilly wecke, bin ich
schon komplett angezogen. Kuscheln im Bett fällt heute mal aus, ich bin zu
angespannt.
Im Kindergarten werde ich
natürlich gleich angesprochen, ob ich jetzt Lillys Grippe hätte, ich wäre so
blass. Na toll. Also super gewappnet für ein Gespräch mit Colin.
Als ich am Coffeeshop
ankomme, steht er wie immer schon da. Diesmal allerdings ohne Kaffee. Okay, ich
atme tief durch und trete auf ihn zu.
„Wenn du noch einen Kaffee
brauchst, ich warte hier.“, brummt er mich an und schaut mir nicht einmal in
die Augen, als er mit mir spricht. Innerlich ziehe ich den Kopf ein und gehe
schnell in den Laden.
Mit einem Becher in der
Hand komme ich wieder heraus. Er zeigt vom Hafen weg in Richtung Strand, da ist
an einem Montagmorgen um diese Zeit nichts los. Am Strand können wir in aller
Ruhe reden. Schweigend gehen wir los. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und
das erste Mal ist es zwischen uns ein angespanntes,
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