Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Gesichtsfarbe. Aber dies Anzeichen trog nicht; wiewohl schlicht und sanft, hielt der Edelmann am monarchischen und katholischen Glauben fest, und keine Rücksicht hätte ihn zu einem Parteiwechsel vermocht. Dieser Biedermann hätte sich verhaften lassen; er hätte nicht auf die Munizipalgardisten geschossen und lammfromm das Schafott bestiegen. Seine dreitausend Franken Leibrente, sein einziger Besitz, hatten ihn von der Auswanderung zurückgehalten. Er gehorchte also der gegenwärtigen Regierung, ohne von seiner Liebe zum Königshause zu lassen, dessen Wiedereinsetzung er wünschte. Aber er hätte sich geweigert, sich durch Teilnahme an einem Anschlag zugunsten der Bourbonen bloßzustellen. Er gehörte zu jenem Schlage von Royalisten, die es nie vergaßen, daß sie geschlagen und beraubt worden waren, die seitdem stumm dahinlebten, sparsam, grollend, ohne Tatkraft, aber unfähig zu irgendeiner Entsagung und irgendeinem Opfer, bereit, das siegreiche Königtum zu begrüßen, Freunde der Religion und der Priester, aber entschlossen, jeden Schimpf des Unglücks zu ertragen. Das heißt nicht mehr eine Meinung haben, sondern eigensinnig sein. Das Wesen der Parteien ist Handeln. Geistlos, aber bieder, geizig wie ein Bauer und doch von edlem Benehmen, kühn in seinen Wünschen, aber zurückhaltend in Worten und Taten, aus allem Nutzen ziehend und bereit, sich zum Bürgermeister von Cinq-Cygne ernennen zu lassen, vertrat Herr von Hauteserre ausgezeichnet jene ehrenwerten Edelleute, die über ihre Edelsitze und ihre Köpfe die Stürme der Revolution dahinbrausen ließen, die sich unter der Restauration dank dem Wohlstand ihrer versteckten Ersparnisse wieder erhoben, stolz auf ihre verschwiegene Anhänglichkeit, und die nach 1830 auf ihre Landsitze zurückkehrten. Seine Kleidung, die ausdrucksvolle Hülle dieses Charakters, malte den Mann und die Zeit, Herr von Hauteserre trug einen jener haselnußbraunen Überröcke mit kleinem Kragen, die der letzte Herzog von Orléans bei seiner Rückkehr aus England in Mode gebracht hatte und die während der Revolution gleichsam ein Mittelding zwischen den abscheulichen Volkstrachten und den eleganten Röcken der Aristokratie bildeten. Seine Samtweste mit geblümten Streifen, deren Schnitt an die von Robespierre und Saint-Just gemahnte, ließ den oberen Teil eines in kleine Falten gelegten Jabots frei, das auf seinem Hemd ruhte. Er trug noch Kniehosen, aber von grobem blauem Tuch mit blindgewordenen Stahlschnallen. Strümpfe aus schwarzer Florettseide umschlossen seine mageren Hirschbeine; seine groben Schuhe wurden durch schwarze Tuchgamaschen festgehalten. Er trug noch den Musselinkragen mit tausend Falten, der am Hals durch eine goldene Schnalle befestigt war. Der Biedermann hatte durchaus keinen politischen Eklektizismus treiben wollen, als er diese zugleich bäurische, revolutionäre und aristokratische Kleidung anlegte, er hatte sehr harmlos den Verhältnissen gehorcht.
Frau von Hauteserre war vierzig Jahre alt, aber durch die Aufregungen entnervt. Sie hatte ein ältliches Gesicht, das stets aussah, als wollte sie für ein Porträt Modell stehen. Ihre mit weißen Satinschleifen garnierte Spitzenhaube trug eigenartig zu diesem feierlichen Aussehen bei. Sie war noch gepudert, trotz des weißen Fichus, des flohbraunen Seidenkleides mit glatten Ärmeln und dem sehr weiten Rock – die traurige letzte Kleidung der Königin Marie Antoinette. Ihre Nase war dünn, das Kinn spitz, das Gesicht fast dreieckig, die Augen verweint, aber sie trug einen Hauch von Rot auf, der ihre grauen Augen belebte. Sie schnupfte und wandte stets die hübschen Vorsichtsmaßregeln an, mit denen die Modedämchen dereinst soviel Mißbrauch trieben. Alle Einzelheiten des Schnupfens bildeten eine Zeremonie, die ein Wort erklärt: sie hatte hübsche Hände.
Seit zwei Jahren hatte der ehemalige Erzieher der beiden Simeuses, der Freund des Abbé von Hauteserre, namens Goujet, ein Abt der Minimes, die Pfarre von Cinq-Cygne aus Freundschaft für die Hauteserres und für die junge Gräfin zum Alterssitz erwählt. Seine Schwester, Fräulein Goujet, die siebenhundert Franken Einkommen besaß, legte dies Geld zu den mageren Einkünften der Pfarre und führte ihrem Bruder den Haushalt. Weder Kirche noch Pfarrhaus waren verkauft worden, weil sie wenig Wert besaßen. Der Abbé Goujet wohnte also ein paar Schritte vom Schloß, denn die Gartenmauer des Pfarrhauses und, die des Parks stießen hier und da aneinander. Und so
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