Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Empfindsamkeit, aber im Kopfe trug sie männliche Entschlossenheit und stoische Festigkeit. Ihre klarblickenden Augen konnten nicht weinen. Wenn man ihr weißes, zartes Handgelenk mit dem blauen Geäder sah, so hätte niemand geglaubt, daß sie es mit dem des stärksten Reiters aufnehmen konnte. Ihre so weiche, so schlaffe Hand handhabte eine Pistole, eine Flinte mit der Kraft eines geübten Jägers. Draußen trug sie nie eine andre Frisur, als die Frauen sie beim Reiten tragen, dazu ein kokettes Biberhütchen mit herabgelassenem grünen Schleier, und so hatte ihr zartes Gesicht, ihr weißer Hals, um den sich eine schwarze Krawatte schlang, von ihren Ritten in der frischen Luft nie gelitten.
    Unter dem Direktorium und zu Beginn des Konsulats hatte Laurence sich derart aufführen können, ohne daß jemand sich um sie kümmerte, aber seit es wieder eine geregelte Regierung gab, versuchten die neuen Behörden, der Präfekt des Departements Aube, Malins Freunde und dieser selbst, sie in Mißachtung zu bringen. Laurence dachte nur an den Sturz Bonapartes, dessen Ehrgeiz und Triumph eine Art Wut bei ihr erregt hatten, aber eine kalte, berechnete Wut. Als heimliche, unbekannte Feindin des ruhmbedeckten Mannes zielte sie aus der Tiefe ihres Tales und ihrer Wälder mit furchtbarer Starrheit auf ihn. Bisweilen wollte sie hingehen und ihn in der Gegend von Saint-Cloud oder Malmaison ermorden. Die Ausführung dieses Anschlages hätte bereits die Übungen und Gewohnheiten ihres Lebens erklärt, aber da sie seit dem Bruch des Friedens von Amiens in die Verschwörung der Männer eingeweiht war, die den 18. Brumaire gegen den Ersten Konsul umkehren wollten, hatte sie seitdem ihre Kraft und ihren Haß dem weitverzweigten und sehr gut geleiteten Plan gewidmet, der Bonaparte von außen her durch die große Koalition Rußlands, Österreichs und Preußens treffen sollte, die er als Kaiser bei Austerlitz besiegte, und im Innern durch die Koalition der verschiedenartigsten Elemente, die ein gemeinsamer Haß verband und von denen manche wie Laurence auf den Tod dieses Mannes sannen, ohne vor dem Worte Mord zurückzuschrecken.
    Dies anscheinend so zarte, doch für jeden, der sie kannte, so starke junge Mädchen war also in jenem Augenblick der treue und sichre Führer der Edelleute, die aus Deutschland kamen, um an diesem ersten Angriff teilzunehmen. Fouché fußte auf dieser Mitwirkung der Emigranten jenseits des Rheins, um den Herzog von Enghien in das Komplott zu verwickeln. Die Anwesenheit dieses Prinzen auf badischem Gebiet unweit von Straßburg gab später solchen Annahmen Gewicht. Die große Frage, ob der Herzog wirklich Kenntnis von dem Unternehmen hatte, ob er nach dessen Gelingen nach Frankreich zurückkehren sollte, gehört zu den Geheimnissen, über welche die Prinzen des Hauses Bourbon wie über einige andre tiefstes Schweigen bewahrt haben. In dem Maße, wie die Geschichte jener Zeit verblaßt, werden unparteiische Geschichtsschreiber es zum mindesten unvorsichtig finden, daß der Herzog sich der Grenze in einem Augenblick näherte, wo eine riesige Verschwörung ausbrechen sollte, um deren Geheimnis die ganze königliche Familie sicherlich wußte. Die Vorsicht, die Malin bei seiner Unterredung im Freien mit Grevin angewandt hatte, übte das junge Mädchen bei ihren geringsten Beziehungen. Sie empfing die Sendboten und besprach sich mit ihnen an verschiedenen Rändern des Waldes von Nodesme oder jenseits des Tals von Cinq-Cygne, zwischen Sezanne und Brienne. Oft ritt sie mit Gotthard in einem Zuge fünfzehn französische Meilen weit, und wenn sie nach Cinq-Cygne zurückkehrte, merkte man ihrem frischen Gesicht keine Spur von Ermüdung oder Sorge an. Sie hatte im Gesicht dieses kleinen Kuhhirten, der damals neun Jahre alt war, die naive Bewunderung bemerkt, die Kinder für das Außergewöhnliche hegen, nahm ihn zum Stallknecht und brachte ihm bei, die Pferde mit englischer Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu pflegen. Sie erkannte seinen Wunsch, alles gut zu machen, Verstand und das Fehlen jeder Berechnung. Sie stellte seine Treue auf die Probe und fand bei ihm nicht nur Gescheitheit, sondern auch Adel: an Lohn dachte er nicht. Sie pflegte diese noch so junge Seele und war gut zu ihm, gut mit einem Zuge zur Größe. Sie fesselte ihn an sich, indem sie sich an ihn fesselte, seinen halbwilden Charakter selbst schliff, ohne ihm seine Frische und Schlichtheit zu nehmen. Als sie seine fast hündische Treue, die sie gezüchtet, hinreichend

Weitere Kostenlose Bücher