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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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trotzdem waren die Menschen abgemagert, denn das Königreich durchlitt schwere Zeiten. Und die Bewohner hatten Angst, das konnte man ihnen ansehen. Einige sahen sogar von Zeit zu Zeit in den Himmel. Hänsel wusste, wonach sie Ausschau hielten.
    Gretel sah das alles auch. Sie begann zu den Menschen von Wachsend zu sprechen.
    Sie erzählte ihnen, dass sie wusste, dass sie Angst hatten. Sie sagte ihnen, dass auch sie Angst hatte. Sie sagte ihnen, dass die Angst sie nicht vor dem Drachen retten würde. Sie sagte, dass nur Mut sie retten würde. Sie sagte ihnen, dass sie gegen den Drachen kämpfen müssten.
    Gretel sprach, und es war, als ob von ihren Worten ein Zauber ausginge. Die Bewohner von Wachsend, erwachsene Männer und Frauen, hörten ihr zu. Kein einziger Bewohner redete, keiner bewegte sich. Als sie ihre Rede beendet hatte, schwiegen alle.
    Und dann rief einer: »Was?«
    »Was hat sie gesagt?«, brüllte ein anderer.
    Gretel sah verwirrt aus. Hatten sie ihre Worte nicht verstanden?
    »Sie muss den Verstand verloren haben!«, rief ein weiterer.
    »Sie ist verrückt!«
    »Redet das Kind mit uns ?«
    Sie hatten sie gehört. Gretel wurde rot. Da mischte sich Hänsel ein. »Wenn wir nichts unternehmen, wird der Drache das ganze Königreich zerstören. Wir werden alle sterben. Dann können wir genauso gut gegen ihn kämpfen!«
    »Kämpft mit uns!«, rief Gretel verzweifelt. »Tut etwas, was ihr noch euren Kindern und den Kindern eurer Kinder erzählen könnt. Kommt mit uns und kämpft gegen den Drachen!«
    Nur eine Person klatschte Beifall.
    »Wir brauchen die Hilfe von euch allen!«, sagte Hänsel, vom Klatschen des Einzelnen ermutigt. »Männer und Frauen, Veteranen und Freiwillige! Wir brauchen jeden, der einen Bogen oder eine Waffe halten kann! Wir brauchen euch!«
    »Ich helfe euch!«, rief die einzelne Person.
    »Ja!«, rief ein anderer. »Lasst uns gegen den Drachen kämpfen!«
    Ein Tuscheln ging durch die Menge. Hänsel und Gretel sahen einander an. Es funktionierte, es funktionierte. Plötzlich erhob sich eine Stimme über den Lärm. »Seid ihr verrückt?«
    Alle drehten sich nach der Stimme um. Auch Hänsel und Gretel sahen sich um, um herauszufinden, wer gesprochen hatte. Es war ein großer Mann, dünn, muskulös, mit einer Glatze und einer Boxernase. Er stand am Rand der Gruppe.
    »Wisst ihr überhaupt, was ihr tut?«, fragte er. »Habt ihr den Drachen schon einmal gesehen? Habt ihr schon einmal gegen ihn gekämpft? Er wird euch töten! Er wird euch alle töten!«
    »Sei still!«, rief ein anderer.
    »Wir müssen etwas unternehmen!«, mischte sich ein dritter ein.
    »Sterben? Ist es das, was wir tun müssen?« Der große Mann machte eine Pause. Keiner antwortete. »Ich habe den Drachen gesehen. Hier drüben haben wir zum ersten Mal gegen ihn gekämpft. Man kann ihn nicht besiegen. Pfeile prallen einfach an ihm ab. Er kann vier Menschen auf einmal töten, mit jedem Fuß einen. Und seht euch die beiden doch einmal an«, und mit diesen Worten zeigte er auf Hänsel und Gretel. »Das sind Kinder! Kinder! Ihr wollt euch von Kindern in den Kampf gegen einen Drachen führen lassen? Seid ihr vollkommen verrückt?«
    Es entstand eine Pause. Die Bewohner von Wachsend warteten, was Hänsel und Gretel entgegnen würden. Hänsel war rot angelaufen, Gretel war leichenblass. Beide öffneten ihren Mund, aber kein Ton kam heraus. Keiner der beiden wusste etwas zu sagen.
    »Lächerlich!«, rief der Glatzkopf. Mit diesen Worten drehte er den beiden den Rücken zu und ging in das Gasthaus. Die Tür hinter ihm schlug mit einem Knall zu.
    »Warte!«, rief Hänsel. »Warte!«
    Aber plötzlich begannen die Menschen sich in alle Richtungen zu zerstreuen und gingen in das Wirtshaus zurück oder nach Hause.
    »Wollt ihr lieber in einem Wirtshaus sterben oder auf dem Schlachtfeld?«, rief Hänsel.
    »In einem Wirtshaus!«, rief einer und ein paar lachten. Immer mehr Wachsender gingen weg.
    »Wollt ihr lieber tatenlos zusehen oder es wenigstens versuchen?«
    »Wir wollen nichts tun!«, brüllte einer. Aber es war keiner mehr da, der darüber hätte lachen können. Die letzten verbliebenen Dorfbewohner sagten nichts mehr.
    »Werdet ihr mit uns gegen den Drachen kämpfen?«, fragte Hänsel.
    Schweigen.
    »Wenn ihr bereit seid«, sagte Gretel, »dann kommt in drei Tagen zum Schloss. Bringt eure Waffen mit.« Mit letzter Kraft fügte sie hinzu. »Und euren Mut!«
    Dann verließen Hänsel und Gretel Wachsend. Hänsel wandte sich seiner

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