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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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wenn der Drache mit den Äpfeln beschäftigt ist, feuern die Soldaten mit den Pfeilen auf ihn. Er wird nicht wissen, woher die Pfeile kommen, und wird verwirrt und hoffentlich verletzt sein.«
    »Und dann werden die restlichen Soldaten aus ihrer Deckung springen und ihn attackieren«, beendete Gretel die Erklärung.
    Langsam nickte die Königin. »Das ist kein schlechter Plan«, sagte sie und drehte sich zum König.
    Der König versuchte, den einen oder anderen Fehler in dem Plan zu finden. Väter tun das immer. »Eine Armee zusammenzubekommen, das wird schwierig. Unsere Leute wollen nicht mehr kämpfen. Sie haben Angst.«
    »Wir müssen es trotzdem versuchen«, entgegnete Hänsel.
    »Vielleicht haben wir keinen Erfolg«, stimmte Gretel zu. »Aber es ist besser, als nichts zu tun.«
    Nach einigen weiteren Einwänden gab ihr Vater schließlich zu, dass es sich nach einem ziemlich guten Plan anhörte.
    Die Königin errötete ein wenig und fragte: »Braucht ihr wirklich alle Äpfel für den Plan? Wenn das so ist, verstehe ich es natürlich, aber ... na ja ... ich wollte nur fragen ...«
    Der König lächelte. »Eure Mutter hätte gerne einen Apfel. Sie hat Gold schon immer geliebt. So haben wir uns auch kennengelernt.«
    »Das habe ich schon gehört. Du hast sie gestohlen «, sagte Gretel.
    »Das habe ich nicht!«, verteidigte sich der König.
    »Gib es zu, mein Liebling«, lachte die Königin. »Man kann es so nennen.«
    »Du hast Mutter gestohlen ?«, fragte Hänsel.
    »Na ja, ja ... ich ... ich denke ... irgendwie schon.«
    Der König lachte über sich selbst. Auch die Königin lachte und Hänsel und Gretel stimmten mit ein. Es war das erste Mal seit ihrer Rückkehr, dass sie sich ihren Eltern nahe fühlten. Der König und die Königin streckten lachend und mit Tränen in den Augen ihre Arme nach ihren Kindern aus. Aber als sie das taten, hörten die Kinder sofort auf zu lachen. Der König und die Königin ließen die Arme wieder sinken.
    Gretel flüsterte: »Wir müssen jetzt ins Bett gehen. Es ist spät und morgen haben wir viel zu tun.«
    Hänsel zögerte kurz. Dann sagte er: »Ja, das stimmt.«
    Und die beiden Kinder wandten sich von ihren Eltern ab und gingen in ihr Zimmer.
    »Ich fühle mich, als würde mir etwas die Luft zum Atmen rauben«, sagte Gretel, die mit offenen Augen in ihrem Bett lag. »Irgendetwas Schweres, Spitzes und Schmerzhaftes. Ich spüre das schon seit langer, langer Zeit.«
    »Seit wir weggelaufen sind«, sagte Hänsel und nickte in der Dunkelheit.
    »Kurz bevor wir gegangen sind, fing es an«, korrigierte ihn Gretel. Keiner der beiden sagte etwas. Dann erzählteGretel: »Es ist in letzter Zeit immer schlimmer geworden. So schlimm war es noch nie. Ich kann kaum noch atmen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich will dieses Gefühl packen und von mir werfen. Ich will, dass ein anderer es spürt und ertragen muss.«
    Die Betten knarzten. Sie waren lange Zeit unbenutzt gewesen. Dann sagte Hänsel. »Nicht irgendein anderer.«
    »Nein«, stimmte Gretel zu. »Nicht irgendein anderer.«



E s war einmal ein heller, aber wolkenverhangener Tag, an dem Hänsel und Gretel in der Mitte des kleinen Marktplatzes von Wachsend standen. Tatsächlich konnte man ihn kaum als richtigen Platz bezeichnen. Es war mehr ein Grasfleck zwischen dem Gasthaus und der Bäckerei. Hänsel und Gretel trugen ihre besten Anziehsachen, und damit alle sie sehen konnten, standen sie auf einem Tisch, den sie aus dem Gasthaus geholt hatten.
    Die Leute von Wachsend versammelten sich um den schwarzhaarigen Prinzen und die goldblonde Prinzessin und sahen sie erwartungsvoll an. Das war das Seltsamste, was in ihrer kleinen Stadt je passiert war. Es war eine Neuheit, dass ihnen die königlichen Hoheiten einen Besuch abstatteten (außer bei feierlichen Prozessionen, und das hier war keine, denn Hänsel und Gretel waren ganz alleine gekommen). Der Prinz und die Prinzessin waren seit ihrer Rückkehr das Gesprächsthema Nummer eins gewesen.Und nun kamen sie, um sie zu sehen? Hier? Verständlich, dass keiner der Bewohner von Wachsend, der etwas auf sich hielt, das verpassen wollte.
    Also versammelten sie sich auf dem kleinen Platz, lauschten dem Gezwitscher der Vögel und waren gespannt darauf zu erfahren, was den Prinz und die Prinzessin in ihre Stadt geführt hatte.
    Hänsel verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und sah in die erwartungsvollen Gesichter um ihn herum. Wachsend war bisher von dem Drachen verschont geblieben. Aber

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