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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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Schwester zu. »Das war furchtbar.«
    »Ja, das ist wahr«, entgegnete sie. Die beiden gingen ein Stück nebeneinander her. Dann fragte Gretel: »Bist du bereit, das Ganze noch einmal zu versuchen?«
    Hänsel seufzte. »Ich denke schon.«
    Und sie gingen in den Nachbarort.
    Drei Tage später warteten Hänsel und Gretel im Hof des Schlosses. Um sie verstreut standen Gruppen von Menschen. Kleine Gruppen. Sehr kleine Gruppen.
    »Es ist noch früh«, sagte Gretel. »Es kommen sicher noch mehr.«
    Hänsel rieb seine schweißnassen Hände aneinander. »Ich hoffe«, sagte er.
    Die Rekrutierung war sehr schwierig gewesen. In jeder Stadt waren sie feindselig begrüßt worden. »Seid ihr verrückt?« »Ihr wisst nicht, was ihr tut.« »Ihr seid doch nur Kinder.« »Das sind nur dumme Kinder!« »Wollt ihr euch von Kindern aufs Schlachtfeld führen lassen?« Einige waren bereit zu kämpfen. Aber nur wenige. Die meisten verstummten voller Sorge, als sie hörten, dass sie mit den beiden Kindern Hänsel und Gretel in den Kampf ziehen sollten.
    Doch nach und nach kamen immer mehr Leute in den Schlosshof.
    Einfache bewaffnete Rekruten mit Pfeil und Bogen oder mit Mistgabeln traten durch das Burgtor. Aber es gab auch eine Gruppe von Veteranen, Männer mit starken Nacken, hölzernen Schilden und glänzenden Schwertern. Auch Frauen waren dabei. Vor allem Bogenschützinnen, aber auch ein paar mit Schwertern und Speeren. Eine Frau hatte eine Hacke dabei.
    »Wir geben ihr besser eine vernünftige Waffe«, sagte Hänsel und zeigte auf sie.
    Gretel kicherte und nickte. Am späten Nachmittag fühlten sich die Kinder besser. Vor ihnen standen an die 500 Soldaten. Die Gruppe war nicht riesig und sie war nicht schön anzusehen. Aber es würde schon irgendwie gehen. Es würde gehen.
    Den beiden Kindern schwoll vor Stolz die Brust. Sie hatten es geschafft. Sie hatten eine Armee aufgestellt.
    Der König und die Königin hingegen wollten von dem Plan nichts mehr wissen.
    »Ihr wollt kämpfen?«, fragte die Königin, als die beiden sich am Abend verabschiedeten. »Ihr habt nie gesagt, dass ihr selbst mit in den Kampf ziehen wollt.«
    »Ihr bleibt hier!«, befahl der König. »Ich erlaube nicht, dass ihr geht!«
    Die Königin sah die beiden Kinder an, wie sie bewaffnet und mit versteinerten Mienen vor ihr standen. »Bitte«, sagte sie. »Wir haben euch schon einmal verloren. Ein zweites Mal ertragen wir das nicht. Bitte, meine Kinder.« Sie begann leise zu weinen.
    Ihr Vater kniete vor ihnen nieder und nahm ihre beiden Hände. »Bitte, meine Lieben«, sagte er. »Versteht uns doch. Ihr seid Kinder. Warum kann nicht jemand anderes für euch gehen?«
    »Vater«, antwortete Gretel, »denke nach, warum. Vielleicht kannst du versuchen, es zu verstehen.«
    Sie und Hänsel zogen ihre Hände weg. Ihre Mutter begann lauter zu weinen.
    Hänsel und Gretel gingen in den Stall, um den Ochsenkarren mit den goldenen Äpfeln zu holen. Die Äpfel lagen alle unter der Plane – alle außer dem, den sie der armen Familie überlassen und dem, den sie ihrer Mutter gegeben hatten.
    Als Gretel den Karren an Betty anspannte, sah Hänsel unter die Plane des anderen Wagens. »Was machen wir mit dem Wein?«, fragte er. »Vielleicht können wir den Drachen betrunken machen?«
    Gretel lächelte und sagte: »Warum nicht? Es schadet zumindest nicht, denke ich.«
    Also spannten sie auch Ivy an.
    Als der Himmel sich schwarz verfärbt hatte und mit kleinen Sternen gepunktet war und der Mond sich groß, rund und weiß langsam über den Horizont schob, lenkten die Kinder die Ochsenkarren in die Dunkelheit. Hänsel und Gretel sahen stolz über ihre Schultern zurück. Hinter ihnen marschierte ihre Armee.
    Sie führten sie die Straße hinunter zu einem großen Wald nicht weit vom Schloss. Als sie näher kamen, begann die Armee zu flüstern und in eine Richtung zu zeigen. Der Boden am Rand des Waldes schimmerte in einem unheimlichen Weiß, als ob sich der Mond in der Erde spiegeln würde. Ist es Magie? , fragten sich die Soldaten. Ist es ein Zeichen des Drachen?
    Doch Hänsel und Gretel folgten ohne zu zögern dem Weg aus weißen Kieseln, die sie am Vortag gestreut hatten. Sie führten die Armee tief in den Wald bis zu einer großen, grasbewachsenen Lichtung.
    Hier unterrichteten Hänsel und Gretel die Armee endlich über ihren Plan. Sie würden sich alle verstecken, bis der Drache erschien, um sich seinen Köder zu holen. Wenn er kam – falls er kam –, würden sie so lange warten, bis

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