Eine Ehe in Briefen
machen könnte. Das ist furchtbar! Sag das den Knaben. Nicht um den Hafer tut es mir leid, sondern um sie. Verschwendet man Geld für derlei Launen (und was ist das für eine Laune, wenn man sich 8 Jagdhunde hält), dann kann man nicht richtig denken. Ein Mensch, der derlei tut, wird niemals begreifen, daß man nicht von der Arbeit anderer leben darf.[...] Seit heute lese ich Buddha. Er interessiert mich lebhaft. – Ich habe große Sehnsucht nach Euch und Ihr tut mir leid, daß Ihr in Moskau seid. Gleichwohl werde ich mich darüber freuen, wenn sie die Prüfungen bestehen. Ich küsse Dich, liebste Freundin, und alle, von der Kleinsten bis zum Größten. [...]
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
7. Mai 1886, des Nachts.
[Moskau]
Heute erhielt ich einen Brief von Dir, und ich ersehe aus ihm, daß Du Dich mit Arbeit abplagst und von den Eindrücken der Armut ganz niedergedrückt bist. Es ist wirklich furchtbar, und die einzige Linderung, die es geben kann, ist zu helfen, so viel als möglich, den Menschen zu helfen. Es ist schon ein seltsam Ding, wie es um die Wirklichkeit bei uns in Rußland bestellt ist! In der Zeitung war ein Leitartikel darüber, in dem es hieß, die Banken seien übervoll mit Geld, es herrsche phänomenaler Überfluß an Geld, die Banken jedoch geben keine Zinsen mehr. Das Volk hungert – man hat ihm alles genommen; die Gutsbesitzer und Kaufleute verkaufen kein Brot, denn sie warten, bis die Preise steigen; und dieses Brot ist es, das dem Volk nun fehlt. Was ist das nur für eine Tollheit, und kann dies noch lange so weitergehen?
Bei uns stehen die Dinge folgendermaßen: Ljolja hat Latein bestanden und Ilja Mathematik, beide Prüfungen waren heute. Ljolja war freudetrunken, sang den ganzen Abend und begleitete sich selbst auf dem Klavier. Ilja ist nach wie vor finster, sagt aber, es gäbe dafür gar keinen Grund, doch das Leben sei ihm zuwider und es brauche so vieles, damit es wieder besser werde. [...]
Morgen fahre ich ein letztes Mal mit Kolitschka Ge in die Stadt, zum Notar, wegen der Vollmacht für ihn [...] und werdedas Geld bei einer anderen Bank anlegen, damit es nicht eines Prozentes wegen auf der Handelsbank liegt. Ich habe noch nichts gepackt, hatte absolut keine Zeit, doch ich werde alles am Samstag packen, auch wenn ich in der Nacht nicht schlafen sollte; die Lebensmittel und alles andere wird am Samstag auf den Weg gehen, ich selbst am Sonntag. [...]
Was Du über die Hunde schreibst, haben die Knaben gelesen. Es wird ihnen eine Lehre sein. [...] Wenn es Dir möglich ist, Ljowotschka, so kümmere Dich bitte darum, wer die Hunde (außer Maljutka und einen der großen Welpen, den Ilja einem seiner Kameraden versprochen hat) nehmen wird. [...]
Auf Wiedersehen Ljowotschka, liebster Freund. Mir schmerzen die Augen und der Rücken, aber jenes Leiden, welches mich allmonatlich bekümmert, ist immer noch ausgeblieben.
Ich küsse Dich, die Kinder freuen sich Deiner Briefe. Der Husten der Kleinen ist besser.
S.T.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[11. November 1886]
[Jalta 79 ]
Meine Lieben alle, hier bei uns ist es sehr, sehr traurig und schwer. Der gestrige Tag war gut; Mamá erzählte, saß im Sessel und unterhielt sich mit uns, die Nacht aber war schlecht, und als sie am Morgen wieder bat, man möge sie in den Sessel setzen, ging es ihr bald schlechter, sie wurde immer schwächer. [...] Heute schlug Petja 80 ihr vor, die Kommunion zu empfangen, und sie war darüber wirklich glücklich: »Wie sonderbar sind sie doch, fürchten, mich in Angst zu versetzen, aber ich freue mich sehr darüber.« [...] Manchmal sagt sie: »Lieber Gott, hilf mir! Ich habe zu wenig Glauben, bin allzu erbärmlich, habe sogar das Beten verlernt.« Und all dies unter Stöhnen und Seufzen. Sie hat hohes Fieber, bisweilenliegt sie im Fieberwahn, es ist schrecklich mit anzusehen. [...]
Gestern trug sich folgendes zu: Mamá rief mich heimlich zu sich heran, gab mir einen Wink mit der Hand und sagte dann: »Sonetschka, ich muß Dir ein Geheimnis anvertrauen, doch Du bist eine Schwatzbase und wirst es gleich allen erzählen.« Ich versprach ihr, alles zu tun, was sie verlange und ließ mich vor ihr auf die Knie nieder, um sie besser hören zu können, versprach, es niemandem zu sagen. Sie beugte sich aus dem Sessel, in dem sie saß, zu mir und sagte: »Ich werde bald sterben, und Wjatscheslaw 81 wird sich dann erschießen; er hat mir dies mehrmals gesagt. Und
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