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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Erscheinungen, denn die Opfer sind immer dieselben – die Frauen und Kinder. Beim einen ist es die Mutter wie bei Chilkow, beim anderen die Ehefrau wie bei Feinerman, beim nächsten wiederum die Töchter ... Es ist ein dunkles, dunkles Völkchen! Moralisch krank und unglückselig!
    [...]
    Nun also lebe wohl, Ljowotschka, wieder ist es schon bald drei Uhr. Auch Deine Briefe sind unpersönlich. In ihnen ist kein Gefühl, nichts, was in Verbindung zu mir stünde, nur eines ist ganz deutlich – wie sehr Du überzeugt bist, daß ich, auch wenn ich von Dir getrennt bin, allein in der Sorge um Dich und Dein Wohlergehen lebe. Ich warte auf die versprochene Erklärung des Vorwurfs, ich liebte Dich nicht so, wie es notwendig sei ...Und wenn ich Dich gar nicht liebte? Dann hättest Du Deine Ruhe; wie es mir ginge – das weiß ich nicht, vielleicht fühlte auch ich mich dann ruhiger und glücklicher. Schicke mir also diese Erklärung, obgleich es nach 25 Jahren wohl zu spät ist, den anderen zu lehren, wie er zu lieben habe. Das beste wäre es doch, in Ruhe leben zu können.
    Nach Jasnaja Poljana werde ich nicht vor dem 20. Mai kommen. Die Perspektive, das Familienleben mit Feinerman teilen zu müssen, ist nicht sehr erbaulich, und so strebe ich gar nicht dorthin. Daß Du nicht bei uns lebst, darauf blicke ich nunmehr so: Wenn Du gesund und glücklich bist, so ist es gut. Auch die Kinder wollen nicht unbedingt aufs Land; offensichtlich hat sich der Sommer des letzten Jahres wie ein Stein auf ihr Herz gelegt.
    Ich bitte Dich, gib auch weiterhin auf Dich acht, Du beginnst ja schon wieder zu kränkeln. [...]
    Ich küsse Dich. Ich schlafe allein oben und die Nächte sind sehr unruhig.
    S.
    11. April 1887, in der Nacht.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [11. April 1887]
    [Koslowka]
    Ich schreibe Dir aus Koslowka. Einen Brief von Dir habe ich hier nicht erhalten, vermutlich kommt morgen einer. Ich schreibe vor allem deshalb, um die gestrige Mitteilung zu zerstreuen, daß mir der Ranzen schmerzt. Heute fühle ich mich ausgezeichnet, habe viel gearbeitet und komme voran. Feinerman hat sich bei den Bauern für 80 R[ubel] als Hirte anstellen lassen. Ich habe ihm dies geraten, und alle sind sehr zufrieden damit. Ich beneide ihn. [...] In Erinnerung an Dich und Deine Worte führe ich ein Herrenleben und esse Fleisch. Zur Erbauunglese ich einen wundervollen Roman von Stendhal – Chartreuse de Parme 100 – und verspüre den Wunsch, literarisch zu arbeiten. Ich hoffe, Du bist nunmehr frei von den Korrekturarbeiten. Und was macht Deine und Tanjas Gesundheit sowie Iljas sittliche Gemütslage? Ich küsse Dich und die Kinder. Auf bald, lebe wohl mein Herz.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [12. April 1887]
    [Moskau]
    Liebster Freund, es quält mich, daß mein gestriger Brief in schlechter Stimmung geschrieben ist und Dich sicher bekümmert hat. Ich lege den Brief der unglückseligen Esfir 101 bei, dann wirst Du vermutlich meine Erbitterung gegen ihren herzlosen Gatten verstehen und die Wut, die ich gegen ihn verspüre! Manchmal empfindet man Wut, weil das Mitleid allzu groß ist! Sie haben sich unbemerkt in unser Leben geschlichen, dieser Feinerman und seine Gefährten, und zu allem Unglück machst Du ihm (in Briefen) auch noch Liebeserklärungen – dies ist ein neuer Punkt unserer Entzweiung, und dies ist überaus traurig! Ich halte es für meine Pflicht, Dir zu sagen, daß ich alles unternommen habe, daß man ihn aus dem Gouvernement Tula ausweist, und ich hoffe, daß mir dies gelingen wird, denn solange er in Jasnaja lebt, werde ich dort keine Ruhe haben.
    [...]
    Soeben haben wir Mischa Obolenski nach Hause begleitet: Andrjuscha, Mischa und ich. Auf dem Jungfrauenfeld erdrückende Fröhlichkeit, der Himmel war klar, rosafarben vom Sonnenuntergang, und es war recht warm. Wundervoll! Ich genoß den Weg. Die Kinder waren heute so viel auf den Beinen, daß sie in die Betten fielen. Morgen beginnen wieder der Unterricht und der Alltag.
    [...]
    Wirst Du den Aufsatz 102 bald beenden? Ich warte ungeduldig darauf, ihn in seiner endgültigen Fassung zu Gesicht zu bekommen. Bitte hebe alle Blätter des Manuskripts auf und bringe sie mit, ich werde sie in die richtige Reihenfolge bringen und mit den anderen Manuskripten ins Archiv geben 103 . Dies wird eines der bedeutungsvollsten Manuskripte in dieser Sammlung sein. Bei meinem schlechten Gedächtnis beginne ich bereits, vieles, was Du in

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