Eine Ehe in Briefen
der Reise nach Moskau unterbrechen. Auf übermorgen also. Ich küsse Dich und die Kinder. [...]
L.T.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[26. April 1887]
[Moskau]
Immer noch hält hier bei uns das Chaos im Zusammenhang mit dem Theaterstück an. Gestern wurde bis zwei Uhr in der Nacht geprobt; alle waren müde, hatten aber sehr viel Spaß. Mich hat dies in verdrießliche Stimmung versetzt, doch ich habe mich bemüht, ihnen das Vergnügen nicht zu verderben, wo sie nun doch schon einmal damit begonnen haben. Das Bühnenbild ist noch nicht fertig, und Tanja ist dessentwegen sehr aufgeregt.
[...]
Tanja habe ich Deine Worte, daß es an der Zeit sei, ein tätiges Leben zu führen, in aller Ernsthaftigkeit übermittelt. Sie fragte: »Was ist das denn, ein tätiges Leben?« Ich antwortete: »Heiraten oder sich irgend etwas zielgerichtet zu widmen.« Darauf erwiderte sie: »Ich wäre glücklich zu heiraten, doch ich kann Wsewoloshski 104 nicht ehelichen.«
Und das ist ja richtig: Wenn Dir jemand nicht gefällt, dann behüte Gott!
Ljowa bedauerte, daß Du nicht im Gymnasium vorbeigegangen bist, um Dich von ihm zu verabschieden. Er hat sich vorgenommen, nun sehr fleißig zu sein.
Lebe wohl, mein Lieber; ich bin Dir dankbar, daß Du noch einen Tag länger bliebst. Mir bedeutet dieser Tag sehr viel. Mich ergriff ein solch eigensinniges, zärtliches, leidenschaftliches und dummes Gefühl, welches ebenso schnell verging wie es kam, das Gefühl der Zärtlichkeit und Dankbarkeit gegenDich indes dauert an, und ich werde es bis zu unserem Wiedersehen in mir bewahren. Ich küsse Dich, gib acht auf Deine Gesundheit, verkühle Dich nicht und liebe uns und denke an uns.
Sonja.
26. April 1886.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[26. April 1887]
[Jasnaja Poljana]
Ich erfülle mein Versprechen, gleich heute noch zu schreiben. Die Fahrt war geruhsam. [...] Das Haus war geheizt. Schlief schlecht, denn es war gleichwohl frisch. Heute morgen räumte ich auf, ging Milch und Eier holen, kochte die Milch ab, heizte den Samowar an, und dies alles war so langwierig, daß ich beschloß, mit dem Gesinde zu essen und nicht selbst für mich zu kochen. Doch dann erschien Nik[olaj] Mich[ailowitsch] 105 und verkündete, er koche für mich und erledige alles, was notwendig sei. Sonst, so sagte er, sind Sie den ganzen Tag damit beschäftigt, sich Ihr Essen zu kochen und kommen gar nicht zu Ihrer Arbeit. Und dies ist die Wahrheit. [...] Meine Ansprüche sind nicht allzu hoch, doch selbst um diese zu befriedigen, müßte ich mich, wie Nik[olaj] Mich[ailowitsch] sagt, den ganzen Tag mit dem Haushalt beschäftigen. [...]
Von 12 bis 4 habe ich sehr angestrengt gearbeitet. Noch einmal von Anfang an alles überarbeitet und vermutlich verbessert. Um 5 ging ich spazieren [...], als ich zurückkam, war unser Serjosha angekommen. Ich aß, dann heizte ich mit ihm den Ofen und den Samowar an, und nun trinken wir Tee.
[...] Wie geht es Dir? Du warst in einer besonderen Stimmung, als Du mich zur Bahn begleitetest. Mir tat es so weh. Nun also, schließt nur schnell all Eure Angelegenheiten dort ab und kommt hierher. Es ist noch kalt, aber die Nachtigallen schlagen,die Kuckucke rufen, die Veilchen blühen – und doch ist es gar nicht heiter. – Das sagt auch Serjosha. Lebe einstweilen wohl, ich küsse Dich und die Kinder. Sollte der Brief kühl klingen, so entspricht dies nicht meinem Gefühl.
L.T.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[27. April 1887]
[Moskau]
Liebster Freund, soeben erhielt ich Deinen kühlen, kühlen Brief. Du frierst im Haus, im Freien und in Deiner Seele – allerorten Kälte. Mir ist Deinetwegen ganz bange geworden. Wenn Dich nicht immer wieder Verzweiflung übermannte, welch ein Glück wäre dies! Du lebtest bei uns in Moskau, arbeitetest, ich schriebe für Dich ins reine, im Haus wäre es warm und in Deiner Seele fühltest Du die Wärme, die jene Liebe gibt, die wir alle für Dich empfinden. Ich sehe, daß Du in Jasnaja ganz heruntergekommen bist. Ich bitte Dich bei Gott, nimm die Dienste von Tit 106 und Nikolaj Michailowitsch in Anspruch, sie werden glücklich darüber sein, und Du wirst Muße zur Arbeit haben; laß sie auch die Einkäufe erledigen, sonst wirst Du Dich noch erkälten, oder ich muß kommen und 15 Rubel vergeuden, allein, um Dir das Leben dort einzurichten. Wenn doch wenigstens Serjosha etwas energischer dafür sorgte, es Dir so einzurichten, daß
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