Eine Ehe in Briefen
diesem Aufsatz schreibst, zu vergessen, und deshalb tut es mir sehr leid, daß nicht ich ihn ins reine übertrage; dann könnte ich ihn bereits auswendig. Lebe wohl, lieber Ljowotschka, ich küsse Dich. Dir wird es bei diesem Wetter sicher wieder bessergehen. Bleibe gesund, Gott schütze Dich.
S.T.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[14. April 1887]
[Jasnaja Poljana]
Heute erhielt ich, wie erwartet, Deinen schönen Brief. Nur eines ist sehr unschön: Deine Abneigung gegen Feinerman. Warum denn stört Dich denn ein Mensch derart? [...] Es tut mir leid für Dich, und es tut mir weh, daß Du meinst, einen Feind zu haben. Dies peinigt mich furchtbar. Und vor allem: Wessen beschuldigst Du ihn? Wenn man ihn näher kennt, so kann man ihn gar nicht hassen, sondern nur Mitleid mit ihm empfinden. Er liebt seine Frau sehr. Und sie, die die Scheidung von ihm forderte, die er bereit war ihr zu geben, kündigte ihm nunmehr an, hierherzukommen und ihn nicht zu verlassen, und ich sehe, wie sehr er leidet. Überhaupt meine ich, daß es sehr schlecht von Dir wäre, wenn Du Mittel zu seiner Ausweisung von hier ergriffest – sehr schlecht vor allem hinsichtlich Deiner selbst. Nun also, liebste Freundin, habe ich Dir diesgesagt, überdenke Du es also und handele so, wie es am besten ist. [...]
Ich habe heute schlechter gearbeitet als an den Tagen zuvor, doch ich habe den Überblick nicht verloren. Weitere Neuigkeiten habe ich nicht zu berichten. [...] Wann ich komme, weiß ich noch nicht. Bis dahin lebe wohl. Ich habe gerade gegessen, und meine Gedanken schlummern langsam ein. Wir aßen grüne Kohlsuppe und in der Pfanne gebratene Kascha, mehr zu essen verlangte mich nicht; am Abend gibt es Tee und Brot. Ich küsse Dich und die Kinder.
L.T.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[16. April 1887]
[Moskau]
Leider schreibe ich Dir wieder ganz ermattet und sehr spät! [...] Deinen Brief habe ich erhalten, in dem Du Dich darüber ergehst, welch guter Mensch Feinerman sei. Ja, hast Du denn meinen Brief mit dem Brief von Esfir noch nicht erhalten? Er ist alles, nur kein guter Mensch, das ist sicher. Er ist nicht mein Feind, warum solch harte Worte? Doch ich möchte ihm nie mehr begegnen und ihn nicht in meinem Hause wissen.
[...]
Du schreibst gar nichts darüber, wie es Dir geht, das heißt wohl, daß es Dir gut geht? Es haben sich wieder einige Briefe und Artikel für Dich angesammelt, ich schicke sie Dir aber nicht, denn sie sind unwichtig und können warten.
Ljolja hat sich in den letzten Tagen etwas zusammengerissen, doch er ist grün und traurig. Er ist im Wachstum, und seine geistige Entwicklung geht auch unterbrochen voran. Es tut mir so leid für ihn, daß er niemanden hat, bei dem er sich etwas von der Seele sprechen könnte. Mir gegenüber ist er immersehr barsch, oder er hat einen verächtlichen Ton an sich und macht sich über mich lustig. Niemand hat meinen Kindern beigebracht, Respekt gegen mich zu empfinden! Dieser Respekt gegen mich wurde stets durch Deine mißbilligenden und verurteilenden Reden über mich zerstört, wenngleich dies auch nicht aus mangelnder Liebe zu mir geschah, sondern aufgrund Deines überlegenen Geistes und des Altersunterschiedes. [...]
Wirst Du Deinen Aufsatz auch weiterhin noch martern? Er wird seine Frische verlieren! Laß Deinem künstlerischen Feuer, über das Du mir schriebst, freien Lauf. Lebe wohl, ich küsse Dich, liebster Freund. Es ist bald drei Uhr in der Nacht, und es herrscht eine Stille, die einen fürchten macht.
S.T.
16. April 1887.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[16. April 1887]
[Jasnaja Poljana]
16., 6 Uhr am Abend.
Ich schreibe Dir aus Jassenki, wohin ich geritten bin, um Tanjas Päckchen abzuholen. Feiner[man] hat beschlossen, nach Hause zu fahren, nachdem er erfahren hatte, daß seine Anwesenheit hier von Dir nicht erwünscht ist. Dies wird übrigens die Scheidung von seiner Frau beschleunigen. Auch konnte er als Hirte nicht mehr arbeiten, aufgrund der Machenschaften eines anderen Hirten. [...]
Gestern war ein schlechter Tag für meine Arbeit – ich hatte nicht genug geschlafen. Heute habe ich wunderbar gearbeitet, bin aber immer noch nicht fertiggeworden. [...] Alles hier grünt, trocknet und wächst. Alle sind auf dem Feld, und auch ich habe große Lust dazu verspürt, wollte mich aber nicht von der Arbeit losreißen. Ich habe noch einen Tag zu schreiben,und ich möchte die Arbeit nicht mit
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