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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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steigt stetig. [...]
    Deine, d.h. die von Dir gesammelten Spenden, sind überaus hilfreich. Beeindruckend sind die 1500 Arschin Stoff, absonderlich die Nudeln. Die wird man an den Feiertagen verteilen. Der Stoff wird überaus benötigt. Ich sah hier eine Witwe mit Kindern, die absolut nichts anzuziehen haben. Nur der Knabe kann das Haus verlassen. Eine solche Armut habe ich noch niemals gesehen. Tanja hat heute einen kurzen Brief an die Zeitungen verfaßt (ich weiß allerdings nicht, ob sie ihn abschickt), in dem sie beschreibt, welch guten Einfluß es auf die Bevölkerung hat, daß fremde Menschen für sie Garküchen einrichten, daß jemand sich ihrer annimmt. [...] Nun lebe wohl. Ich küsse Dich und die Kinder, angefangen bei Wanja, über Sascha, M[ischa], A[ndrjuscha] bis zu Ljowa. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen. Gebe Gott, daß ich Dich wohlauf antreffe. Was, d.h., welche Nachrichten von Dir mag die Post morgen nur bringen?
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [20. November 1891]
    [Moskau]
    Sei bedankt, lieber Ljowotschka, für Deinen Brief und die Artikel. Gestern abend waren Grot und seine Frau sowie Lisa und Mascha bei mir zu Besuch, und ich las ihnen vor, was Du geschrieben hast. Alle fanden die Erzählung überaus interessant und bedauerten sehr, daß es noch keine Fortsetzung gibt 36 . – Es ist sehr anschaulich, wie die Leute Jagd auf die Hühner machen. Es ist klar, was das Anliegen ist; auch scheinst Du niemanden beschuldigen zu wollen. Und doch glaubt man den Schuldigen zu erkennen. Was den kurzen Artikel betrifft, so ist meine Meinung folgende: Als Bericht ist er nicht umfassendgenug und zu ungenau; als Artikel indes nicht von Interesse, weil er das Gefühl nicht anspricht. Er ist etwas unbefriedigend. Verzeih, daß ich Dir dies sage. Dein Artikel über den Hunger ist unwiderruflich verboten.
    [...]
    Seit Ljowa aus Samara zurückkehrte, fühle ich mich erleichtert und glücklich. Besonders schön ist aber, daß alle Kinder wieder wohlauf sind; Wanetschka war heute zum ersten Mal wieder an der Luft; in zwei Tagen darf auch Sascha wieder hinaus. [...]
    Es war mir nicht sehr angenehm, daß Ihr Ljowa und Natascha 37 als Eure Sachwalter hierher geschickt habt, damit sie meine Haltung hinsichtlich Eures weiteren Aufenthalts erkundeten. Ihre diplomatischen Bestrebungen waren allzu leicht zu durchschauen. Brauchen wir denn Diplomaten, die zwischen uns vermitteln? Da verstehe ich Tanja viel besser, die mir schrieb: »Sollte meine Anwesenheit erforderlich sein, so werfe ich hier alles hin und komme umgehend zurück.« Es ging mir bisweilen durch den Sinn, ob ich ihr schreiben solle, daß ich ihre Hilfe brauche. Allzu schwer und sorgenvoll war doch die Zeit, als die Kleinen krank waren. – Ich hatte insgeheim darauf gerechnet, daß Du Mitleid mit mir empfinden und für ein paar Tage kommen würdest. Doch wieder einmal hatte ich mich getäuscht. [...] Nun ist ja wieder alles in Ordnung, mein Leben, meine Arbeit und mein Herz. Und ich brauche niemanden. – Mögen alle auch weiterhin ihren Aufgaben nachgehen. Und Eure Aufgabe ist zweifellos eine dankbare und notwendige. Ich nehme von ganzem Herzen Anteil daran und unterstütze sie, wo ich nur kann. [...] Der Spenden wird es immer weniger, und bald werden sie wohl ganz versiegen, wer geben wollte, hat dies getan. – Den größten Teil gebe ich Ljowa; dort wird die Hilfe am meisten gebraucht, das Elend dort ist fürchterlich. [...] Ich habe große Angst um ihn, um seinen seelischen und körperlichen Zustand. Es ist belastend, in solchjungen Jahren eine derart weitreichende Aufgabe zu übernehmen; gleichwohl halte ich es für gut, daß er wieder dorthin fährt. – Ohne ihn wird es hier erneut leer und traurig sein. Aber was soll man machen – die Zeiten erfordern es nun einmal. [...] Ich küsse Dich und Euch alle. Mascha ist, wie ich mir denke, glücklich, daß sie nun eine wirklich wichtige Aufgabe gefunden hat. – Nun denn also Ljowotschka, sei aufrichtig und gut gegen mich, nur dies wünsche ich mir. – Nur dies ist es, was ich mir wünsche und daß es Euch allen gut gehe.
    S.T.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [25. November 1891]
    [Begitschewka]
    Gestern, am 24., erhielten wir zwei Briefe von Dir, liebste Freundin. Deine Vorwürfe meiner vermeintlichen Diplomatie wegen sind ganz verfehlt. [...] Schon in der letzten Woche, als ich Deine Briefe erhielt, wollte ich eilends zu Dir reisen, doch die

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