Eine ehrbare Familie
aufrichtig leid. Ich glaube, ich habe Ihren Vater mal Vorjahren in London getroffen. Er hat ein zweites Mal geheiratet. Wie war bloß ihr Name. Anna? Hanna?»
James schüttelte den Kopf. Sein Name sei Franke. Es stünde in den Akten.
Der «Professor» lächelte wieder, jetzt ganz erleichtert. «Nein, natürlich ist ihr Name Sara! Und sie hat sich wieder verheiratet, mit einem Amerikaner. Nun, Leutnant Railton, ich möchte mich gerne über gewisse Dinge mit Ihnen unterhalten. Und wenn Sie mitmachen, wird Ihnen die unangenehme und endgültige Wirklichkeit, deren Vorspiel Sie heute früh erlebt haben, erspart bleiben.»
Sie setzten ihre Gespräche fast zwei Wochen lang fort. James verneinte, je von einem Railton gehört zu haben. Der «Professor» nickte, nahm keine Notiz von James’ Einwürfen, sondern erging sich des langen und breiten über die Tugenden und Fehler, die Stärken und Schwächen der Railton-Familie.
Er wußte über alles Bescheid, wußte sogar, daß Giles eine hohe Position im Foreign Office einnahm. Zum Schluß weigerte sich James, irgendwelche Aussagen zu machen.
Jeder versuchte, nett zu Charles zu sein. «Wir verstehen ja, unter welchem Druck Sie standen, alter Knabe, aber Sie haben schon eine riesige Dummheit begangen», sagte Kell. Giles blieb vorerst im Hintergrund. Aber Basil Thomson suchte ihn mehrmals auf.
Die erste Unterhaltung in Thomsons Büro in Scotland Yard drehte sich hauptsächlich um den «Fischer» und die Dinge, die Charles über ihn herausgefunden hatte.
Ein Wagen holte ihn ab, setzte ihn in Scotland Yard ab und fuhr ihn direkt nach Cheyne Walk zurück. Polizisten in Zivil hielten vierundzwanzig Stunden Wache, einer an der Vorderfront, ein anderer an der Rückseite des Hauses.
Nach vier Tagen kam Kell ihn besuchen. «Wir wollen die Sache unter uns abmachen, das heißt, nur wenige Leute von MI 5 und der Geheimpolizei sind eingeweiht. Eine Untersuchung ist natürlich unvermeidlich, und ich kann Ihnen nichts versprechen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist Entlassung, das Beste ein strenger Verweis. Ich würde Sie, offen gesagt, gern behalten, Charles, und werde mein möglichstes tun. Nehmen Sie sich einen guten Anwalt, und sehen Sie zu, daß Thomson Ihnen nicht alle Würmer aus der Nase zieht.»
«Was heißt nicht alle Würmer?» Charles war wie benommen. Er konnte nicht schlafen, und seine Gedanken kreisten unentwegt um die Frage, warum er sich so töricht benommen hatte. Er wußte natürlich die Antwort, aber das Ganze kam ihm jetzt so banal vor. «Was heißt nicht alle Würmer?» wiederholte er.
«Die Sache mit dem . Lassen Sie die wenn möglich unter den Tisch fallen. Ich möchte mir den Halunken persönlich vornehmen. Basil hat Wood auf ihn angesetzt. Ein Freund von Ihnen, nicht wahr?»
«Wenn Wood dem Mörder auf der Spur ist, dann lohnt es sich nicht, irgendwas zu verheimlichen. Ein großartiger Mann, er wird alles herausfinden, was ich weiß, und mehr.»
Kell sah enttäuscht aus, dann sagte er, Wood sei tatsächlich schon auf etwas gestoßen.
«Ah, ja?»
«Diese Drew, Haas, wie immer man sie nennen will...»
Charles wartete.
«Wood glaubt nicht, daß sie von derselben Person ermordet wurde wie die anderen. Der Schal sei anders geknotet gewesen.»
«Ist das der Grund, warum mich Thomson immer wieder fragt, was ich an dem Tag getan habe? Verdächtigt er etwa mich?»
Kell sagte etwas verlegen: «Es wurde erwähnt - nicht ernsthaft natürlich. Sie haben schließlich ein Alibi. Aber Sie wissen ja, wie Detektive sind...»
«Aber das ist hirnverbrannt.»
«Ja, ja, gewiß.»
«Was ist mit dem Knoten?»
Kell blickte zu Boden. «Fiske, Douthwaite und Mrs. Gregor wurden mit einem Schal aufgefunden, der fachmännisch hinter dem linken Ohr verknotet war. Ich weiß nicht, was für eine Art von Knoten es war... während Miss Drew... nun, der Schal ist einfach hinten am Hals fest zugezogen worden... wir nannten es als Pfadfinder einen Altweiberknoten.»
Beim Abendessen redete Mildred ohne Unterlaß, aber nur wenig ergab einen Sinn. Sie sprach über ihre Kindheit, ihren Vater, ihre Mutter, über die Zukunft und den Krieg. Mildred ahnte nichts von Charles’ Schwierigkeiten und schien die Polizisten in Zivil nicht zu bemerken.
Am nächsten Tag wurde er wieder nach Scotland Yard gefahren, und alles wurde erneut durchgekaut. Es nahm viel Zeit in Anspruch. Gegen Abend sah Kell ihn allein, um zu sagen, daß der Untersuchungsausschuß in der nächsten Woche
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