Eine ehrbare Familie
Mahlzeit - eine Art Lammragout mit Zwiebeln und Kartoffeln, dazu Wein und Brot.
Das Verhör begann am folgenden Tag bei Morgendämmerung.
Der Untersuchungsbeamte war ein kleiner Mann, fast eine Karikatur eines Deutschen: vierkantiger Schädel, kurzer Haarschnitt, Schmiß auf der rechten Backe. Er trug einen grauen Anzug, aber alles andere an ihm war militärisch. Er stellte die üblichen Fragen: Name? Warum er nach Berlin gekommen sei? Wieso hatte er Hetty Dimpling und Pastor Bittrich aufgesucht?
James gab dieselben Antworten wie zuvor. Als die Sprache auf Major Sterkel kam, verneinte er alles, was diesen belasten könnte. Es sei des Majors Idee gewesen, auf diese heimliche Art zu korrespondieren. Er, Franke, habe nur nach einer englischen Dame namens Miss Brown geforscht, die einen deutschen Offizier in Paris geheiratet habe. Sie sei eine gute Freundin seines Vaters gewesen. Nein, er wüßte wirklich nicht, warum der Major ein Geheimnis aus der Sache gemacht hätte.
Warum habe dann Frau Dimpling den Brief vom Postamt am Alexanderplatz abgeholt? Einen an ihn adressierten Brief? Es sei vermutlich irgendein Irrtum gewesen.
«Frau Dimpling ist als Spionin erschossen worden.»
James zeigte keinerlei Gefühl, zuckte nur die Achseln und sagte, er kenne keine Frau Dimpling.
«Vielleicht wird man auch Sie als Spion erschießen.»
James zuckte wieder die Achseln und machte eine gleichgültige Miene. Das wäre höchst ungerecht. Er sei ein patriotischer Deutscher, obwohl seine Familie in der Schweiz gelebt habe.
Bei Morgendämmerung am folgenden Tag fühlten sie ihn in den Hof, stellten ihn gegen die Mauer, gaben ihm eine Zigarette, erlaubten einem katholischen Priester, ihn zu fragen, ob er die Beichte ablegen wolle. Dann erschien das Exekutionskommando, lud die Gewehre und wartete auf den Befehl zu schießen.
James hatte innerlich mit dem Leben abgeschlossen.
In London stillte Margaret gerade die kleine Sara Elisabeth, als sie die Chopin-Sonate hörte. Später erzählte sie, die Musik sei so klar zu hören gewesen, als spiele jemand im Nebenzimmer. Dann schwieg das Klavier.
Das Klavier hatte zwar aufgehört zu spielen, aber James war ihr den ganzen Tag lang ganz nahe, auch als sie zu Charlotte ging, die sie besuchte, um die Schwägerin seelisch zu unterstützen.
Charlotte erholte sich langsam, ihre Besuche in Redhill taten ihr gut. Sara hatte darauf bestanden, daß die Railton-Frauen im Sommer wie im Winter einen strikten Dienstturnus einhielten. Charlotte genoß die langen Gespräche, wenn andere Familienmitglieder sie besuchten, und war einfach hingerissen, als sie Ende Januar von Caspar erfuhr, daß sie Großmutter werden würde.
«Und wie nimmt Andrew es auf, Großvater zu werden?» fragte Margaret. Sie machte sich Sorgen um Andrew. Er war für sie das klassische Beispiel eines Idols, das von seinem Piedestal gefallen war.
Charlotte machte eine vage Geste. «Er schluchzte wie ein Baby. Und das nicht zum ersten Mal. Vor einem Monat ungefähr kam er nach Hause, setzte sich in den Sessel und weinte fast eine Stunde lang. Ich versuchte, ihn zu trösten, fragte, was los sei...»
«War er betrunken?»
«Nicht mehr als sonst. Er sagte, Rupert hätte nicht in seine Fußstapfen treten sollen. Es sei alles so schrecklich. Und dann wiederholte er immer wieder: »
Obwohl Andrew vom Alkohol manchmal angeregt, manchmal deprimiert war, erledigte er seine Arbeit zur größten Zufriedenheit seiner Chefs. Seit Reginald Hall als neuer Chef die Dienststelle übernommen hatte, war das Zimmer 40 in einem ständigen Tumult. Hall war es gelungen, Zimmer 40 um mehrere Büros zu erweitern, und fast jeden Tag tauchten neue Gesichter auf- meistens Universitätsprofessoren. Manche blieben nur für eine bestimmte Aufgabe, andere für immer.
Nach der Lusitania -Katastrophe entfaltete alles, was in der Admiralität mit Abhören, Analysieren, Dechiffrieren beschäftigt war, eine fieberhafte Tätigkeit. Die Marine-Informationsdivision unter ihrem neuen Chef Reginald Hall galt als die tüchtigste Abteilung von allen.
Giles beschwerte sich bei C: «Unsere Aufgabe ist es, den Militärs und den Politikern Material zu liefern.»
«Genau das tun wir doch, Giles. Hall ist uns gegenüber im Vorteil, weil seine Arbeit kurzfristiger angelegt ist. Unser Problem ist es, Leute dazu zu veranlassen, in der Zukunft die richtigen Entschlüsse zu fassen, aber darüber haben wir schon, ich weiß nicht wie oft,
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