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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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hatten sich «identifiziert», wie es bei C’s Leuten oder auch bei Hauptmann Nicolai hieß.
    Padraig sprach fast eine Stunde lang. Jeder spendierte einige Runden. Als Padraig ging, ließ er ein Exemplar des Independent auf dem Tisch zurück.
    Der Riese nahm es auf und überflog die Seiten. Auf der Seite mit den Todesanzeigen stand ganz unten mit Bleistift geschrieben: «Railton. Malcolm und Bridget. Glen Devil Farm. Grafschaft Wicklow. Requiescant in pace.»
    «Reggie Hall versucht, zu verdammt schlau zu sein», sagte Kell ohne Bosheit.
    Sie hatten sich, wie verabredet, in seinem Haus getroffen und saßen jetzt nach dem Abendessen im Arbeitszimmer des Chefs von MI 5. Charles hatte mehr als eine Stunde gebraucht, um die Unmengen von Informationen zusammenzufassen, die Hall und die Geheimpolizei besaßen, MI5 jedoch vorenthalten hatten.
    «Erstens muß ich Ihnen danken», fuhr Kell fort, «aber zweitens glaube ich nicht, daß es einen großen Unterschied macht. Hall hat eine Menge Möglichkeiten, aber ich glaube, die Hausdurchsuchung von Casements Privatwohnung wird ihm auch nichts einbringen.» Was bewies, daß auch Vernon Kell sich irren konnte.
    «Ich traue der Geheimpolizei und der Marine-Informationsdivision einfach nicht über den Weg.»
    «Das habe ich noch nie getan. Aber genauso wenig traue ich den C-Leuten. Muß schwierig für Sie sein, Charles, in jeder Geheimabteilung sitzt mindestens eins Ihrer Familienmitglieder.»
    «Der einzige, der mir Kopfschmerzen bereitet, ist mein lieber Onkel Giles.»
    Kell lachte kurz auf. «Ich war schon immer der Meinung, daß Giles Railton in einem falschen Jahrhundert zur Welt gekommen ist. Er gehört ins fünfzehnte Jahrhundert - Intrigen für oder gegen den Papst, Machiavellis graue Eminenz -, da wäre er am Platz gewesen. Wissen Sie eigentlich, daß er mir Verwandte von Ihnen als irische Agenten angeboren hat?»
    «Angeboten...?»
    «Ihren Vetter - seinen Sohn - und dessen Frau. Er beschäftigt die beiden bereits seit einiger Zeit als seine Privatspione.»
    «Malcolm?» Charles traute seinen Ohren nicht.
    «Und Bridget.» Kell seufzte. «Ich werde sie mir so bald wie möglich vorknöpfen. Wenn sie auf eigenes Risiko spionieren wollen, bitte, aber ich kann sie nicht gebrauchen.»
    «Es sei denn, Onkel Giles ist mit ihrer Hilfe in die irische Rebellenorganisation Sinn Fein eingedrungen.»
    «Das hat er mir weismachen wollen. Allein, mir fehlt der Glaube.»
    Die Kälte drang ihm durch alle Poren. Es lag kein Schnee, aber der Boden unter den Pferdehufen war steinhart. Das letzte Tageslicht verglomm.
    Malcolm hoffte, daß seine Frau wenigstens eine heiße Suppe auf dem Herd hatte, denn er hatte kaum etwas gegessen, und wegen des Wetters hatte der Ritt von Dublin doppelt so lange gedauert wie üblich.
    Er bog von der Hauptstraße ab, so daß er sich dem Gutshaus von der Rückfront her nähern würde. Sie hatten seit langem gewisse Geheimsignale ausgemacht, wenn einer von ihnen beiden außer Haus war. Und nun, als er den Hügel erreichte und das weiße Gebäude unter sich sah, überfiel Malcolm plötzlich entsetzliche Angst.
    Als er zuerst nach Irland kam, hatte er sich strikt geweigert, sich in die politischen Intrigen seines Vaters hineinziehen zu lassen, ein Entschluß, den er hauptsächlich Bridgets wegen gefaßt hatte. Aber dann, eines Tages, entdeckte er, daß der alte Ränkeschmied seine Frau in sein Netz eingefangen hatte. Erst dann reagierte er. Aber sogar diese Reaktion hatte er hinausgezögert, bis er herausfand, daß Bridget vor ihrer Heirat eng mit vielen von jenen jüngeren Männern und Frauen befreundet gewesen war, die jetzt fanatische Sinn-Fein-Anhänger waren.
    Am Anfang wollte er Bridget aus der ganzen Sache heraushalten, aber schon nach wenigen Monaten erkannte er, daß dies unmöglich war. Und so arbeiteten sie jetzt bereits seit mehreren Jahren erfolgreich zusammen und führten Padraig O’Connell, ihren Vertrauensmann, und die gesichtslosen Männer, die Padraigs Marionetten waren, hinters Licht. Zuweilen lachten sie sogar über Padraig O’Connell, der versuchte, sie zu erpressen, indem er den einen gegen den anderen ausspielte.
    Sie hatten im Lauf der Jahre gelernt, vorsichtig und stets auf der Hut zu sein. Wenn eines der beiden allein in Glen Devil zurückblieb, zeigten bestimmte Signale dem heimkehrenden Partner an, ob alles in Ordnung war. Die Lampe, die am rückwärtigen Treppenhausfenster brannte, müßte gemäß ihrer Verabredung eigentlich links

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