Eine ehrbare Familie
Bridgets Gesicht wie schwebend, glänzte in einem schrecklichen, unnatürlichen Blau, ihre schönen Augen starrten ihn blind an, ihre Zunge hing heraus, ihre Lippen waren zu einem gespenstischen Grinsen verzogen, und um ihren Hals war ein weißer Seidenschal geschlungen, der ihr Kinn in einem unnatürlichen Winkel hochhielt.
Malcolm stieß einen Schrei aus, trat einige Schritte zurück und sah, wie sie einige Sekunden lang aufrecht im Schrank stand, bis sie vornüberfiel. Seine rechte Hand fuhr in die Höhe, als wolle er sich verteidigen. In genau diesem Augenblick warf der «Fischer» einen zweiten Seidenschal über Malcolms Kopf.
Aber der Schal schlang sich nicht nur um seinen Hals, sondern auch um sein rechtes Handgelenk und drückte es gegen sein Gesicht. Malcolm nahm instinktiv diesen Vorteil wahr und verhinderte mit dem Arm, daß sich die Schlinge zuzog.
Die Pistole flog ihm aus der Hand und prallte auf die Seitenwand des Schranks, die kleine Öllampe explodierte, als sie auf den Boden fiel.
Danach war alles nur noch Kampf, Schweiß, Gestank und Feuer.
Seltsamerweise wurde Malcolm erst ganz zum Schluß bewußt, daß er um sein Leben kämpfte. Der Gegner hinter ihm versuchte mit allen Kräften den Seidenschal zusammenzuziehen, aber Malcolm, stämmig wie sein Onkel, der General, und mit Muskeln, die durch jahrelange Landarbeit gestählt waren, stemmte seinen Arm gegen die Schlinge, um zu verhindern, daß sie um seinen Hals rutschte.
Er fühlte etwas Hartes in seinem Rücken, als hätte sein Angreifer das Knie gehoben, um eine größere Hebelwirkung zu erzielen. Malcolm ließ sich nach hinten ziehen, dann schwang er sich mit aller Kraft nach vorn und schlug gleichzeitig mit dem Fuß nach hinten aus. Sein Knöchel traf auf etwas Hartes, wie Holz, und er spürte, daß sein Gegner nachließ, als wäre er aus dem Gleichgewicht gekommen.
Malcolm stieß noch einmal mit dem Fuß, griff mit dem freien Arm in die Schlinge, warf sich nach vorn und bog seinen Oberkörper nach links.
Er hörte ein Grunzen, der Druck der Schlinge gab nach, als sein Gegner das 'Gleichgewicht verlor. Erst jetzt bemerkte er die Flammen, die am Holz und an den Gardinen hochzüngelten und furchteinflößende Schatten auf die grausige Szene warfen. Er fühlte, wie die Hitze und der Rauch in seine Lungen drangen.
Der weiße Seidenschal flatterte zu Boden, als sein Angreifer krachend hinfiel, ein riesiger Mann, ganz in Schwarz gekleidet. Ein Teil seines Körpers wälzte sich in den züngelnden Flammen.
Malcolm versetzte ihm einen Tritt mit dem rechten Stiefel und hatte den Eindruck, ihn am Kopf getroffen zu haben. Er hörte einen unterdrückten Schmerzensschrei und holte zu einem weiteren Fußtritt aus. Der Mann lag auf dem Gesicht und rührte sich nicht mehr.
Eine Sekunde lang dachte Malcolm daran, Bridget aus den Flammen zu zerren, gab die Idee aber auf. Die Hitze wurde unerträglich. Die Kleider im Schrank hatten Feuer gefangen, und weißer Rauch stieg von ihnen auf. Rette dich selbst, sagte er fast laut. Er sah seine Pistole am Rand des Flammenmeers liegen und ergriff sie. Sie war glühend heiß und versengte ihm die Hand.
Als er die Treppen hinunterlief, vermeinte er das Keuchen seines Gegners zu hören, aber er blickte sich nicht um, dachte nicht mal an die Möglichkeit, daß noch jemand anderer im Haus sein könnte. Die Tatsache von Bridgets Tod und der plötzliche Schock waren noch nicht in sein Bewußtsein eingedrungen. Im Moment begriff er nur eins, daß die irische Bruderschaft herausgefunden hatte, daß Bridget und er englische Agenten waren. Er hatte nur ein Ziel vor Augen: zu fliehen und sich zu verstecken. Aber wo? Wenn die Rebellen herausfanden, daß er nicht tot war, gab es keinen sicheren Ort für ihn in Irland. Er mußte irgendwie nach Dublin kommen, um in der Festung, dem Quartier der englischen Soldaten, Zuflucht zu finden.
Es war der einzig klare Gedanke, den er fassen konnte, als er keuchend -den Hügel hinauflief. Der Wind heulte, und der Schnee stach wie Nadelspitzen in seine Haut.
Das Pferd wieherte auf der anderen Hügelseite. Bevor Malcolm die Kuppe erreichte, blickte er sich noch einmal um. Der Himmel war rot gefärbt, das Gutshaus in dicke Rauchschwaden gehüllt, aus dem Dach schossen die Flammen in die Höhe.
Er sah nicht den riesigen Mann, der hustend und röchelnd aus der Haustür schwankte. Seine rechte Backe war verbrannt, seine Kleidung versengt. Doch sogar in diesem Zustand blieb der «Fischer»
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