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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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stehen, aber sie stand weit rechts. Im schnell verblassenden Tageslicht konnte er auch sehen, daß die Milchkannen noch in einer Reihe standen und die Fensterläden des zweiten Schlafzimmers geschlossen waren. Die Tür des Schuppens rechts vom Haus wurde durch einen großen Stein weit offen gehalten. Unter normalen Umständen hätte sie seit zwei Uhr geschlossen sein müssen.
    Seit ein paar Wochen trug er eine geladene Pistole bei sich, denn zweimal schon hatte sein sechster Sinn ihn vor Gefahr gewarnt - ein seltsam lauernder Ausdruck in Padraigs Augen, eine halbherzige Unterhaltung über einen bewaffneten Aufstand. Jetzt zog er die Pistole aus seiner Reitjacke. Er dirigierte seinen Grauschimmel vorsichtig hinter eine Hügelkuppe, redete beruhigend auf ihn ein und band ihn an. Dann kroch er den Hügel wieder hinauf.
    Er wählte die westliche Ecke des Tals, weil dieser Zugang zum Haus der am meisten gefährdete war - auf dieser Hausseite gab es keine Fenster, nur zwei Giebel wie ein großes unförmiges M, und die vielen Büsche am Abhang gewährten genügend Deckung. Sollte es Schwierigkeiten im Gutshaus geben, dann würde ein Wachposten im Hof postiert sein, um zu sehen, ob sich jemand von Westen her näherte.
    Abgesehen von der falsch stehenden Lampe brannten noch zwei andere Lichter im Haus, eins in der Eingangshalle und das andere im Wohnzimmer. Zwanzig Meter vom Haus entfernt entsicherte Malcolm seine Pistole.
    Als er die fensterlose Giebelseite des Hauses erreichte, blieb er stehen und lauschte angestrengt. Irgend etwas stimmte nicht, denn normalerweise würde sich im Haus etwas rühren. Er hatte Bridget am Morgen mit zwei vertrauenswürdigen Landarbeitern zurückgelassen. Und selbst in dieser bitterkalten Nacht sollten im Haus oder auf dem Hof irgendwelche Laute zu hören sein.
    Er schlich sich, so leise er konnte, an der Hauswand entlang, duckte sich unter den Fenstern,bis er die Hausfront erreichte. Der Hof war durch das Licht in der Halle und im Wohnzimmer hell beleuchtet. Die Haustür stand offen, doch überall herrschte Stille.
    Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, sein Atem ging stoßweise, trotz der eisigen Kälte war er schweißbedeckt.
    Mit dem Rücken zur Hausmauer schob er sich bis zum ersten Vorderfenster vor und warf von unten kurz einen Blick hinein.
    Nichts. Niemand. Der Tisch war nicht gedeckt, das Feuer war am Verglühen. Er kroch unter dem nächsten Fenster vorbei, von wo aus er die Küche sehen konnte. Sie war dunkel. Und noch immer kein Schatten, kein Laut. Dann erreichte er die offenstehende Tür und ging leise mit gezückter Pistole hinein.
    Die Halle war leer, die Deckenbeleuchtung eingeschaltet, und auf der Konsole brannte die kleine Öllampe. Er stieß die Eingangstür mit dem Fuß hinter sich zu. Sie fiel knallend ins Schloß. Er vermeinte im ersten Stock ein Geräusch zu vernehmen, wie Fußtritte auf knarrenden Dielen. Er nahm die Öllampe in die linke Hand, in der rechten hielt er schußbereit die Pistole. Langsam schlich er von Zimmer zu Zimmer, jeden Muskel gespannt.
    Es dauerte lange, bis er das Parterre durchsucht hatte, denn er hielt alle paar Sekunden an, um zu lauschen und in dunkle Ecken zu leuchten.
    Dann schlich er die Treppe hinauf. Auf halbem Weg hörte er deutlich ein Geräusch, als habe jemand eine Tür geöffnet. Ein Lichtschein - von der falsch stehenden Lampe - fiel auf die Treppe. Er stand fast eine Minute lang vor der Schlafzimmertür, mit dem Rücken zur Wand.
    Dann vernahm er ein weiteres Knarren, es kam aus dem Schlafzimmer. Langsam drückte er die Klinke hinunter und stieß die Tür weit auf. Die Scharniere quietschten, die Tür schwang nach innen. Er vermeinte von unten Fußtritte zu hören. Oder ächzte das Gemäuer nur unter der Kälte?
    Ein Windstoß trieb feuchten Schnee gegen die Fensterscheiben. Er betrat das Zimmer und hielt die Lampe hoch. Sie warf seltsame Schatten, der Schein reflektierte sich in sternengleichen Mustern auf dem Spiegel von Bridgets Frisiertoilette, der Kleiderschrank wirkte wie eine schwarze, bedrohliche Masse.
    Er trat aufs Bett zu und hörte jetzt ganz deutlich ein Geräusch im Schrank.
    Malcolm hielt die Lampe in die Höhe und sah sich um. Das Zimmer war leer, doch wieder hörte er das Geräusch. Er ging auf den Schrank zu, die Pistole in der rechten Hand.
    Er zog an der Tür, sie klemmte, und er öffnete sie mit einem energischen Ruck. Der Anblick, der sich ihm bot, war von unüberbietbarem Grauen, unfaßbar, ein Alptraum -

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