Eine ehrbare Familie
Er hatte gehofft, gleich nachdem er sich freiwillig gemeldet hatte, einer Staffel in Frankreich zugeteilt zu werden, aber die Herren, die das Leben der Piloten bestimmten, waren anderer Meinung gewesen. Er hatte die meiste Zeit in Farnborough verbracht, und wenn er flog, dann eine lahme DH-2, was ihm gar nicht gefiel.
Sara war natürlich erleichtert, daß er noch in England war. Ihre erst wenige Monate alte Ehe mit Dick hatte ihr Leben mehr' verändert, als sie zu hoffen gewagt hatte. Und sie dankte Gott fast täglich für den Tag, an dem James Dick kennengelernt und mit nach Redhill gebracht hatte.
Sie sah Dick fast jedes Wochenende, und ihr war wohl bewußt, daß sie ihm eine nie gekannte emotionelle Sicherheit verdankte. Dick unterschied sich in allem von den Railton-Männern, er war offenherzig, ohne Hintergedanken, ohne Geheimnisse. Seine Großzügigkeit und sein umfassendes Wissen - angefangen von Maschinen über moderne Musik bis zu Kunst und Literatur -machten ihn in ihren Augen zu einem einzigartigen Mann. Ja, dachte sie, das ist die Voraussetzung für eine gute Ehe: Partner, die die Einzigartigkeit des anderen achten. Sie verstand jetzt die enge Beziehung zwischen James und Margaret, glaubte aber nicht, daß die anderen Männer oder Frauen der Familie auch nur annähernd eine ähnlich enge Gefühlsbindung hatten, mit Ausnahme vielleicht von Caspar, obwohl Phoebe ihr selbst fremd geblieben war. Solche Gedankengänge pflegten oft bei James zu enden, und manchmal weinte sie über seinen Tod, denn sie war sicher, ihn nie wiederzusehen, und insgeheim wunderte sie sich über Margaret, die fest von seiner Rückkehr überzeugt war.
Es gab nur einen Schatten, der zuweilen auf Saras Glück fiel, und das war die Angst, daß ihr Dick eines Tages entrissen werden könnte.
Und daß sie glücklich waren, merkten alle. «Man kann sehen, daß die beiden viel Spaß im Bett haben», sagte Natter eines Tages zu Vera Bolton, als sie dem wegreitenden Paar nachsahen.
«Ach, Ted, paß auf, was du sagst, du denkst immer nur an das!» piepste Vera.
«Und du etwa nicht? Ich hab dich mit Billy Crook gesehen, als er auf Urlaub hier war. Dabei ist er fast noch ’n Kind.»
Vera wurde puterrot, drehte sich auf dem Absatz um und fauchte: «Ich weiß nicht, worüber du sprichst, Ted Natter. Du bist einfach gemein!»
«Alberne Gans», gab Natter zurück.
Vera wußte genau, worüber Ted Natter sprach. Gewiß, Billy Crook war einige Jahre jünger als sie, aber Billy war, seitdem er den Orden bekommen hatte und befördert worden war, sehr selbstsicher und ein richtiger Mann geworden. Vera verbrachte ihre Tage im Herrenhaus unter dem stets wachsamen Auge ihrer Mutter, und so hatte sie ihre ersten Erfahrungen als Frau erst an Weihnachten gemacht, als Billy auf Urlaub gekommen war.
Das erste Mal war es nach Saras Hochzeit passiert. Sie waren auf den Heuboden über den Ställen gekrochen, und danach hatten sie dieses Versteck fast täglich aufgesucht. Jetzt schrieb er ihr regelmäßig von der Front. Während sie sich allmählich Sorgen machte: Seit Januar war ihre Periode, sonst immer pünktlich eintreffend, ausgeblieben.
Sara dagegen hätte viel darum gegeben, wenn die Tage bei ihr ausgefallen wären. Und über Mangel an Gelegenheit konnte sie sich nicht beschweren. Dick war ein zärtlicher, leidenschaftlicher Liebhaber, die Erfüllung all ihrer sexuellen Träume.
Nur eins konnte er nicht verstehen: ihre Angst um seine Sicherheit. Er war ein so guter und geübter Pilot, daß er nie daran dachte, er könnte abgeschossen werden.
Als der Stellungsbefehl endlich kam, konnte er sich vor Freude nicht fassen. Das einzige' worüber er murrte, war, daß er auch in Frankreich eine DH-2 fliegen mußte. «Die deutschen Flugzeuge sind so viel besser», sagte er an dem Tag, als er seinen Marschbefehl bekam. «Besonders ihr Albatros ist ganz große Klasse. Die DH-2 ist robust, behende im Aufstieg, stabil, und sie kann einen Puff vertragen, aber gegen eine Albatros kommt sie nicht an.»
Sara war beunruhigt und bat ihn, keine unnötigen Risiken einzugehen. «Mach dir keine Sorgen, Liebling.» Er grinste. «Wir Farthings sind auch robust und können viele Püffe vertragen, und behende sind wir auch. Ist dir das noch nicht aufgefallen?»
«Mir ist nur aufgefallen, daß dir die Munition eine Nacht lang nicht ausgeht.» Sara lächelte anzüglich.
«Soll ich es dir noch mal in London beweisen ?» Er legte den Arm um sie. «Ich brauche neue warme
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