Eine ehrbare Familie
sie, daß ich Sie am besten bei der Stange halten kann. Alles, was Sie zu tun haben, ist, ihren Befehlen zu gehorchen. Stehlen Sie, belauschen Sie Gespräche, liefern Sie, was man von Ihnen verlangt. Ihre Auftraggeber werden sich direkt mit Ihnen in Verbindung setzen. Ich bin nur eine Durchgangsstation. Sie werden die Informationen bei mir abliefern. Und Sie können es mit ruhigem Gewissen tun, denn Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß ich nicht alles, was ich von Ihnen bekomme, weiterreichen werde. Sie werden Halbwahrheiten bekommen, wolkige Edelsteine.»
«Schwören Sie mir, daß alles, was ich Ihnen liefere, nicht weitergeht als bis zu Ihnen?»
«Der größte Teil zumindest nicht. Ja, das schwöre ich Ihnen. Das heutige Treffen ist nur dazu da, Kontakt aufzunehmen. Mehr nicht. Ich soll Ihnen eine falsche Sicherheit vorspiegeln, Sie einlullen. Betrachten Sie sich also als eingelullt. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wir kriegen sie schon zu fassen. Aber alles zu seiner Zeit.»
Zwei Tage später erhielt Charles eine andere Mitteilung. Es war eine Anfrage: War den Geheimdiensten der augenblickliche Aufenthaltsort von Sir Roger Casement bekannt?
Charles hatte an verschiedenen Besprechungen zwischen Thomson und Hall teilgenommen, daher wußte er genau, daß Casement in Wilhelmshaven darauf wartete, nach Irland gebracht zu werden. Charles gab die Informationen pflichtschuldig an Brenner weiter.
25
Kurz vor Ostern erhielten Andrew und Charles Informationen, daß der irische Aufstand für Ostersonntag geplant war.
Ein deutscher Frachter war von Lübeck mit Waffen und Munition für die Rebellen in See gestochen; außerdem hatte Sir Roger Casement in einem U-Boot Wilhelmshaven verlassen und befand sich auf hoher See.
Was nun folgte, hatte peinliche Konsequenzen für Andrew.
Alle wichtigen, dechiffrierten Telegramme mußten direkt an den DID persönlich weitergegeben werden, egal, um welche Tagesoder Nachtzeit. Als Verbindungsoffizier, bei dem alles Material zusammenlief, war das Andrews Aufgabe.
Aber am Freitag, den 14. April, als diese äußerst wichtige Nachricht eintraf, war Andrew nicht aufzufinden. Es war fast sieben Uhr abends, und Andrew war um fünf Uhr gegangen. Der diensthabende Offizier rief bei ihm zu Hause an, erfuhr aber, daß er nicht da war. Charlotte schöpfte Verdacht. Andrew hatte erklärt, er würde bis Mitternacht arbeiten, im Büro aber hinterlassen, er sei zu Hause erreichbar.
Er lag in diesem kritischen Augenblick in den Armen von Miss Grizelda Greatorex in deren Schlafzimmer in Mayfair.
Schlimm wurde die Sache jedoch erst dadurch, daß Reginald Hall plötzlich beschlossen hatte, Zimmer 40 aufzusuchen, wo er die Nachricht auf dem Tisch liegen sah. Er fragte, warum Fregattenkapitän Railton nicht informiert worden sei.
Während des Abends bekam Charlotte vier Anrufe. Der erste war von Hall persönlich, der Andrew zu sprechen verlangte, der letzte enthielt nur noch den Befehl, daß Andrew sich sofort im alten Gebäude der Admiralität zu melden habe.
Als Andrew in die King Street zurückkehrte, empfing ihn Charlotte mit den freundlichen Worten: «Du mußt todmüde sein, Liebling.»
Andrew bestätigte, daß er einen teuflischen Tag hinter sich habe.
«Es tut mir leid, daß ich so spät komme, aber Hall war übelster Laune und hat mich den ganzen Abend auf Trab gehalten.»
Charlotte sagte mit engelsgleicher Miene, daß Hall tatsächlich übelster Laune sei. Er habe den ganzen Abend nach Andrew gefahndet und bäte ihn, umgehend in die Admiralität zu kommen.
Andrew wurde aschfahl, drehte sich wortlos um und verließ das Haus.
Am nächsten Morgen suchte Charlotte einen Privatdetektiv auf.
«Sie haben Casement erwischt.» Trotz des mißlichen Zwischenfalls sah Thomson Charles gut gelaunt an, als dieser endlich am Sonnabendmorgen sein Büro betrat.
«Nun, das ist mehr oder weniger das Ende.»
Thomson nickte schadenfroh. »Ja, gestern haben sie ihn hochgenommen, aber gar nicht realisiert, wen sie da eingefangen haben. Er hat seinen Bart abrasiert und sein Haar abgeschnitten. Hall will die Sache bis auf weiteres geheimhalten. Sie bringen ihn heute nach Dublin und morgen nach hier. Das heißt, keine Osterferien für uns, Charles.»
Charles fragte nach den Reaktionen in Irland. Thomson lächelte höhnisch. «Keine Reaktionen, weil keiner etwas weiß. Wollen Sie bei dem Verhör dabeisein?»
Und so kam es, daß Charles zusammen mit einem Stenographen der Geheimpolizei in Thomsons
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