Eine ehrbare Familie
irischen Volkes verschiedene Stützpunkte und unterbrachen die Verbindungen zur Festung von Dublin. Sie errichteten Barrikaden im Stadtzentrum und auf den Zufahrtsstraßen, um Truppenverstärkungen zu verhindern.
Die Kämpfe dauerten knapp eine Woche, und es wurde keine Gnade gezeigt. Nach der Niederwerfung des Aufstands fanden die Kriegsgerichtsurteile und Hinrichtungen im geheimen statt. Sie waren ungemein grausam und riefen in ganz Irland helle Empörung hervor. Einer von vielen, denen die Flucht gelang, war Padraig O’Connell, der an der Seite von Michael Collins im Postamt gekämpft hatte - einer der Hauptschauplätze erbarmungsloser und heroischer Kämpfe. Padraig lag auf dem Heuboden einer Scheune in der Grafschaft Wicklow, und zum zweiten Mal in seinem Leben schwor er England ewige Feindschaft. Seine Zeit würde kommen und vermutlich bald, denn nach den britischen Brutalitäten war das Volk auf der Seite der Rebellen.
Er dachte an seine Vertrauensleute in Deutschland. Sie würden Informationen über die englischen Geheimpolizeimethoden brauchen, um Feuer mit Feuer zu vergelten.
Er fragte sich, was aus dem deutschen Riesen geworden war, den Malcolm Railton fast getötet hatte. Vermutlich war er während der Unruhen aus Irland entkommen. Seine Verbrennungen waren fast verheilt.
Die meisten Mitglieder der Railton-Familie mißtrauten Giles’ Entschluß, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Wie Charlotte so richtig bemerkt hatte: «Mein Schwiegervater gehört nicht zu der Sorte Menschen, die bei den ersten Anzeichen ihrer Sterblichkeit das Gesicht der Wand zukehren.» Doch sie gab auch zu, daß sie es für unmöglich gehalten hatte, daß gerade Andrew Ehebruch begehen würde. Und dafür hatte sie handfeste Beweise -sechs sauber getippte Seiten von Mr. James Prosser, Privatdetektiv.
Charlotte hatte beschlossen, die Beweise für Andrews Untreue erst mal für sich zu behalten. Sie war nicht im geringsten gewillt, die Vorteile, die die Zugehörigkeit zur Railton-Familie mit sich brachte, über Bord zu werfen, nur weil ihr Mann mit einem Flittchen ins Bett ging.
Sie würde nichts unternehmen, es sei denn, Andrew wäre töricht genug, die Scheidung einzureichen.
Und so fuhr sie fort, Sara in Redhill zu helfen, besuchte Margaret und sorgte sich - mit allen anderen - um Mildreds offensichtlichen seelischen wie gesundheitlichen Verfall. Dem nicht genug, nahm sie sich ernsthaft, vor, Zuneigung zu ihrer Schwiegertochter zu fassen. Phoebe war fast in der ganzen Familie unbeliebt, mit Ausnahme von Caspar und Margaret. Die anderen lehnten sie alle aus einem Wirrwarr von Gründen ab. «Unbeugsam und anmaßend», sagte Sara; «ein unerträglicher Snob», sagte Mildred in ihren klaren Momenten. «Hinterhältig», sagte Charles; Andrew gab keine besonderen Gründe an. «Baumwolle», knurrte Giles, als Charlotte ihn nach seiner Meinung fragte. Baumwolle hießen alle Menschen in der Railton-Familie, die Handel trieben. Kein Railton hatte sich je mit Handel die Finger beschmutzt.
In Wirklichkeit war Phoebe längst nicht so anmaßend, wie die Familie glaubte. Sie war zwar ein wenig barsch, aber das kam von ihrer nordischen Erziehung, und ihre Unbeugsamkeit war auf ihren herrischen Vater zurückzuführen. Im Grunde genommen waren alle ihr angedichteten Eigenschaften nur eine Art Verteidigungswall gegen ihre tiefwurzelnde Unsicherheit. Caspar war der einzige Mensch, der allen ihren Bedürfnissen und Wünschen gerecht wurde, und den sie überdies noch respektieren, lieben und bewundern konnte.
Caspar hatte große Fortschritte mit seinem Holzbein gemacht, und er hoffte auf weitere technische Fortschritte auf dem Gebiet von Prothesen. Vielleicht bekam er eines Tages auch einen künstlichen Arm? Aber seine größte Befriedigung zog er aus seiner Arbeit im Geheimdienst, wo ihm viel Lob zuteil wurde.
C sagte viele Jahre später, daß Caspar zweifellos der beste Abteilungsleiter war, den man sich vorstellen könnte. Caspar brauchte nur selten in den vielen Akten etwas nachzuschlagen. Er schien ein fast fotografisches Gedächtnis für Namen, Gesichter, militärische Operationen und Topographie zu haben. Er würde, sagte man flüsternd, für den Feind ein ideales Entführungsopfer sein, denn er hatte alle Einzelheiten des Geheimdienstes im Kopf.
Wie seine Mutter Charlotte mißtraute auch Caspar der Erklärung seines Großvaters, daß er sich allmählich zurückziehen wollte. «Der alte Fuchs führt etwas im Schilde», sagte er
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