Eine ehrbare Familie
eines Abends zu Phoebe. «Er ist länger als jeder von uns in diesem zwielichtigen Gewerbe und kennt alle Tricks. Er hat es auf irgendeinen unglücklichen Tölpel abgesehen.» Nach einigen Minuten murmelte er. «O Gott, nein, das kann doch nicht sein...» Er hatte das erste Teilchen zu dem großen Puzzlespiel gefunden, das ihm noch viel Kopfzerbrechen machen sollte.
Später am selben Abend ging er in die King Street und verbrachte einige Zeit mit seinem geistesgestörten Bruder Rupert. Während er mit ihm sprach, durchsuchte er das Zimmer.
Roy war ausgegangen, und so schlich er auch in dessen Zimmer und durchsuchte es systematisch.
Er sagte nichts zu Smith-Cumming, aber er war tief beunruhigt, denn ein furchtbarer Verdacht stieg in ihm auf. Ein weißer Schal fehlte aus Ruperts altem Uniformkoffer. Vor einem Monat war er noch dagewesen. Caspar hatte ihn mit eigenen Augen gesehen.
Malcolm war «bis aufs Letzte ausgepreßt», wie C es nannte, von seinen eigenen Leuten, der MI5 und der Geheimpolizei. Alle drei Abteilungen schrieben ihre Berichte, die dann zusammengefaßt wurden und als erweiterte Akte über die revolutionären Tätigkeiten in Irland an alle einschlägigen Dienststellen gingen.
Als alles vorbei war, erklärte Malcolm, daß er die verdammte grüne Insel nie wiederzusehen wünsche. Er wollte ein ordentliches Stück Land bearbeiten und weiter nichts. Aber aufgrund seines Alters und seines guten Gesundheitszustandes mußte er natürlich zum Militär.
Er wohnte noch immer bei seinem Vater in Eccleston Square, und Giles setzte sich voll ein, um seinem Sohn die Wege zu ebnen.
Er hatte sogar mit Sara gesprochen und ihr vorgeschlagen, daß Malcolm Redhill bewirtschaften sollte und so freigestellt werden konnte. Sara hatte ihm kühl geantwortet, wenn Malcolm ihr helfen wolle, das Gut zu verwalten, wäre ihr das durchaus willkommen.
Roy besuchte seinen Großvater mindestens dreimal in der Woche. Malcolm wurde während dieser Besuche immer unter irgendeinem Vorwand weggeschickt.
Während der Woche vor dem Casement-Prozeß im Mai kam Roy später als üblich nach Eccleston Square.
Giles saß dem jungen Mann gegenüber im «Versteck». Seine Augen blickten freundlich, aber verließen nie Roys Gesicht.
«Niemand wird uns stören», fing er an. «Malcolm hat sich zurückgezogen, und die Dienstboten habe ich ins Bett geschickt.
Also...» Wie immer sprach er die jüngsten Ereignisse durch und wiederholte den neuesten Foreign-Office-Klatsch. Roy war jetzt seine Hauptinformationsquelle für alle internen Vorgänge.
Sie hatten sich vor drei Tagen zum letztenmal gesehen, aber Roy, der einen scharfen Blick und ein aufmerksames Ohr für alle Einzelheiten hatte, gab mühelos eine detaillierte Zusammenfassung von allem, was er in den letzten zweiundsiebzig Stunden gehört oder gesehen hatte.
«Und wie geht’s dir, Roy?» Es war eine Frage, die Giles immer stellte. Roy sah ihn aus offenen Augen an, aber seine glatte Zunge verriet nur das, was er sagen wollte, nie mehr. Auch seinem Großvater gegenüber nicht.
«Beschäftigt wie immer. Du hast mir viel beigebracht, Großvater, alles ist verhältnismäßig einfach ...»
«Wenn du einmal das Spiel gelernt hast, wirst du sehen, daß es verschiedene Varianten gibt.» Der alte Mann lächelte. «Wie beim Schach.»
Roy nickte. «Ich glaube, ich habe alles unter Kontrolle. Die eventuellen Feinde werden beschattet, gewisse Fallen aufgestellt, so daß sie mich nicht mehr belästigen können...»
«Und dein Russisch?» fragte Giles beiläufig.
«Ich büffle noch immer vier oder fünf Stunden am Tag. Ich glaube, ich werde dich nicht enttäuschen, wenn die Zeit reif ist.»
Giles nickte. «Und jetzt der Grund, weswegen ich um deinen späten Besuch bat.» Er öffnete eine seiner Schreibtischschubladen. «Hier haben wir gewisse Einzelheiten, spezifische Dokumente.» Er schlug das Dossier auf. « Kannst du es dir leisten, zwei Tage nicht ins Büro zu gehen, ohne unliebsame Aufmerksamkeit zu erregen?»
«Natürlich.»
«Nun, gut. Ich will, daß du nach Schottland fährst, aber du mußt dich genau an meine Vorschriften halten. Die kleinste Abweichung wäre verheerend.»
Während Giles seinem Enkelsohn erklärte, was er von ihm erwartete, kam Sergeant Billy Crook am Waterloo-Bahnhof an, um einen unerwarteten Heimaturlaub zu genießen.
Er war in der Etappe gewesen, als der Kommandeur ihn zu sich rief.
«Sie haben ein paar Tage Urlaub bekommen, Sergeant Crook.»
«Urlaub, Sir?
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