Eine ehrbare Familie
Pilotenausbildung fast hinter mir. Ich bin hier seit Februar.»
«Was Sie nicht sagen...» Es war Dick, der nicht wußte, was er sagen sollte, aber der Major half ihm aus der Patsche.
«Mr. Berry ist hergekommen, weil die 70. Staffel Arbeit für Sie hat.»
«Arbeit? Ich hab genug Arbeit, verdammt noch mal.»
«Nein, Dick. Eine Spezialaufgabe.»
«Ich weiß doch was von der 70. Staffel?» sagte Dick mehr zu sich selbst.
«Sondereinsätze, Sir», sagte Berry.
«Mein Gott, ja, richtig. Sie machen solche tollen Sachen, wie Leute hinter der deutschen Front absetzen. Nein, vielen Dank für die Blumen.»
«Würden Sie mich bitte zu Ende anhören, Sir?»
«Lassen Sie ihn ausreden, Dick», sagte der Major fast im Befehlston. «Sie haben einen besonderen Grund, sich an Sie zu wenden.»
«Na gut, schießen Sie los.»
«Erinnern Sie sich an Mr. Giles, Sir?»
«Den kann man wohl schwer vergessen.»
«Seine Tochter... die in Paris. Sie wissen...»
Dick nickte und zwinkerte Berry zu, der offensichtlich nicht gewillt war, in der Gegenwart des Majors näher auf die Geschichte einzugehen.
«Sie hat zwei Kinder. Der Junge fiel schon 1914, das Mädchen hat hinter der feindlichen Front gearbeitet. Wir sind in einer verflixten Situation. Wir haben den Befehl, sie während dieser Woche aufzulesen. An irgendeinem Morgen zwischen sechs und halb sieben. Unser Kommandeur war in London, um sich die Einzelheiten geben zu lassen. Unser Problem ist, daß wir nicht wissen können, ob sie’s tatsächlich ist oder ob man uns eine Falle stellt.»
Er blickte Dick in die Augen. Seine heruntergezogenen Mundwinkel verrieten den Druck, unter dem er stand. «Verstehen Sie, Sir, ich habe sie nur von weitem gesehen, ich kenne sie nicht gut genug, um sie zu identifizieren.»
«Aber ich kenne sie gut genug, nicht wahr?» Dick preßte die Lippen zusammen.
«So ist es, Sir. Sie würden das Mädchen wiedererkennen, nicht wahr?»
«Natürlich würde ich das, Berry. Dunkles Haar, sieht aus wie ein Traum auf zwei Beinen, heißt Denise.» Er ließ sich in einen Stuhl fallen und zündete sich eine Zigarette an. «Wann geht’s los?»
«So schnell wie möglich. Morgen, übermorgen.»
Dick sog den Rauch ein. «Übermorgen. Geben Sie mir einen Tag Zeit, mich an das Monstrum zu gewöhnen.» Er sprach von der FE-2. «Mit der soll ich ja wohl fliegen?»
Bob Berry nickte.
«Bekomme ich Begleitschutz?»
«Wir geben Ihnen Begleitschutz.» Der Major drückte seine Zigarette aus. «Wir müssen alle nach Abele, um uns die Karten und Befehle genau anzusehen. Es wird ein langer Flug werden, Dick. Sie müssen das Mädchen auf der anderen Seite von Tournai auf einem Feld an Bord nehmen.»
«Hoffen wir, daß sie es tatsächlich ist.» Er fügte nicht hinzu, daß er auch hoffte, er würde sie noch wiedererkennen.
Charles war auf Reisen. Er war mit Wood und Partridge nach Norden gefahren, um dem «Fischer» nachzuspüren. Mildred wußte das natürlich nicht, aber als sie im dunklen Zimmer in Cheyne Walk erwachte, erinnerte sie sich genau, daß er fort war.
Sie zitterte unkontrollierbar und gierte nach einer Spritze.
Sie stand auf, zog ihren Morgenrock an und ging zum Fenster. Kein Mond schien.
Ihr ganzer Körper bebte, in ihrem Schädel schienen Bienen zu summen.
Sie ging zu ihrem Schreibtisch, wo sie die Utensilien aufhob, stolperte und fiel hin. Dr. Fisher hatte ihr schon vor langer Zeit beigebracht, sich selbst Injektionen zu geben.
Sie ergriff eine Ampulle, dann eine andere, falls sie sich geirrt hatte, und nahm sie samt der Spritze mit ins Bett.
Sie mußte noch einmal aufstehen, um die Vorhänge wieder zuzuziehen und das Licht anzumachen.
Das Aufblitzen in ihrem Gehirn geschah in dem Moment, als sie die Spritze leerte. Dann explodierte ihr Kopf. Sie dachte, sie hätte das Zeug in eine Vene gespritzt, war sich aber nicht ganz sicher.
Und endlich wußte sie, daß es tatsächlich passiert war. Sie erinnerte sich sogar an den Namen des Jungen - Peter Bryden. Blond und frech. Älter als sie, und er kannte sich aus. Aber sie wußte sogar noch besser Bescheid, weil sie eins der verbotenen Bücher ihres Vaters gelesen hatte. Sie hatten es sorgfältig vorbereitet. Im Wald. O Gott, nein! Sie werden mich bestrafen, wenn ich sage, wie sehr ich es genossen habe. Da war Blut. Am Anfang tat es weh, aber dann war alles warm und angenehm. Sie hatte es wieder und wieder tun wollen. Aber jetzt in der Mitte der schweigenden Nacht schrie sie laut auf, und
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