Eine ehrbare Familie
sein.» Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. «Aber ich? Sie können mich vor Gericht stellen, mich erschießen.»
«Red keinen Unsinn.»
Smythe-Gilbert verhielt sich äußerst zurückhaltend auf der Fahrt bis zur Grenze, wo er sie Militärpolizisten übergab, die sich äußerst höflich benahmen, mehr wie Dienstboten als wie Gefängniswärter, die sie anscheinend waren. Einer fragte: «Ist wirklich bald Waffenstillstand, Sir?»
James sagte, das schiene ihm durchaus wahrscheinlich.
Während der langen Nachtfahrt erzählte Marie ihm den Rest der Geschichte. Die Deutschen hätten sie verhört und sie vermutlich auch gegen den britischen Geheimdienst eingesetzt. Sie wäre als Lockvogel mißbraucht worden und hätte ständig unter Bewachung gestanden. «Sie haben mich sogar gezwungen, nach deiner Verhaftung in deine Zelle zu sehen und dich zu identifizieren. Tut mir leid, James, ich habe es getan, mir war alles gleichgültig geworden.» Sie schliefen nicht, aber Josephine rollte sich wie ein kleines Tier zusammen, als der Zug sich in Bewegung setzte.
Im Morgengrauen erreichten sie die Küste, ein Zerstörer nahm sie an Bord. In Dover erwartete sie ein anderes Auto mit Männern, die wie Detektive aussahen. Sie wurden nach Warminster gebracht.
Um elf Uhr nachts, als sie durch ein ihnen fremdgewordenes England fuhren, drehte sich einer der Männer zu ihnen um und sagte unbeteiligt: «Nun, das wär’s. Alles vorbei. Der Krieg ist zu Ende.»
Sein Begleiter murmelte: «Und jetzt - Gott helfe uns.»
Caspar erwartete sie in Warminster. Marie weinte wieder, als sie sah, daß er verkrüppelt war, James bewunderte seine übersprudelnde, gute Laune und die Geschicklichkeit, mit der er sich auf seinem künstlichen Bein bewegte und ihnen mit dem provisorischen Metallarm die Türen aufmachte. Er lachte oft und vergnügt und sagte, daß C mit einigen Leuten kommen würde, um sie über ihre «Eskapaden» auszufragen. Marie weinte wieder und fragte, was mit ihr geschehen würde.
«Mit dir geschehen? Was meinst du damit?» Caspar sah sie entgeistert an. «Du hast dich für König und Vaterland geopfert, Marie. Ich kenne nicht viele Frauen, die ihren Mann und ihre Kinder verlassen hätten, um sich den Hunnen auszuliefern.»
Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, fühlte aber James’ Hand auf ihrem Arm. Caspar fuhr fort: «Sogar Großvater hat uns hinters Licht geführt mit seinem Spruch: «Diese Person darf die Schwelle meines Hauses nicht mehr betreten. Aber er hat C die volle Wahrheit gesagt, als er sein privates Agentennetz auflöste. Er hat zugegeben, daß er dich dazu überredet hat, ein Techtelmechtel mit dem Hunnen anzufangen und mit ihm nach Berlin durchzubrennen, um, wenn es dir möglich wäre, Nachrichten an uns zu übermitteln.» Er nickte strahlend. «Aber, wie ich höre, haben sie dich unter scharfer Kontrolle gehalten, und dann wurde James nach Deutschland geschickt, um dich hinauszubringen.»
Um ihr zu helfen, erzählte ihr James, daß er wegen der großen Gefahr, in der sie schwebte, und den möglichen Konsequenzen den Befehl gehabt hatte, sie zu töten, falls er sie nicht herausbekäme. «Onkel Giles hat wirklich sein Möglichstes getan.» Er gab ihr einen sanften Rippenstoß. «Hast du eigentlich gewußt, daß die Deutschen dich gezwungen haben, eine Sondervorstellung für mich zu geben?»
Sie nickte. «Sie haben von mir verlangt, mich hübsch anzuziehen und mit einem jungen Geheimdienstoffizier, der Hirsch ähnlich sah, die Straße entlang zu einem Taxi zu gehen - eine Woche lang, jeden Morgen, jeden Abend. Sie haben mich den Käse genannt, mit dem man Ratten fängt. Ich wußte nicht, liebster James, daß du die Ratte warst.»
Dann wurde Caspar ernst und teilte ihnen die traurigen Nachrichten mit. «Mildred und. Charles sind beide tot. Und dein Vater Giles, Marie, liegt im Sterben. Du willst ihn vermutlich noch einmal sehen?»
«Ja», sagte Marie zähneknirschend. «Ja. Wird er noch lange leben?»
«Wahrscheinlich nicht. Aber ich weiß, daß C dieses Abschlußverhör möglichst schnell hinter sich bringen will, und ich bin sicher, daß Denise dich sobald wie möglich Wiedersehen möchte. Wir haben ihr noch nicht Bescheid gesagt, nur wenige Familienmitglieder wissen...»
«Margaret...?» fragte James.
«Weiß, daß du dich in Sicherheit befindest. Wir haben ihr allerdings noch nicht gesagt, daß du hier in England bist. Das Ganze nimmt nur ein paar Tage in Anspruch. Mein Gott, wir werden alle
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