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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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an. Aber nur einer starb. Charles erkrankte in der ersten Novemberwoche. Ein Arzt wurde geholt, konnte aber nur hilflos dabeistehen, als die Temperatur immer höher stieg und der Patient zu phantasieren begann.
    Diejenigen, deren Aufgabe es war, die Wahrheit aus ihm herauszuholen, hielten an seinem Bett Wache. Als Charles immer schwächer wurde, notierten sie einige seiner abgerissenen Fieberphantasien: «Onkel... Onkel...» wiederholte er eines Tages, und dann: « .. .Onkel Brenner!»
    Sie holten Mary Anne herbei, da er häufig nach ihr verlangt hatte, und hörten zu, als er röchelnd mit ihr sprach in dem festen Glauben, daß sie Mildred war: «Verzeih, Liebling... verzeih... eine Bitte... Madeline, ein Kind in Deutschland... wenn alles vorbei ist... nimm das Kind... zu dir... oder gib es Sara... Sara... soll sich... kümmern...»
    Er starb am 12. November, einen Tag nach Kriegsende. Mary Anne war untröstlich. Sie hatte ihren Vater trotz allem sehr geliebt.
    Giles war noch am Leben. Die Railton-Familie stellte viele Mutmaßungen an, was wohl geschehen wäre, wenn Charles am Leben geblieben wäre. Denn die Ereignisse, die nun folgten und zu einer Familienlegende führten, das heißt, zum Erkennen der vollen Wahrheit innerhalb der Railton-Familie, hätten vermutlich Charles Railton zum Reden gebracht und die offizielle Version der Geschichte widerlegt.
    Doch die ganzen Ausmaße des Verrats wurden erst bekannt, als auch der Schlußakt dieser Tragödie über die Bühne gegangen war. Der Anfang dieses Endes fand in Deutschland statt, zwei Tage bevor Charles in Warminster starb.

30
    Margaret erwachte am Morgen des 10. November und spürte eine plötzliche Erleichterung, als sei über Nacht etwas Unverhofftes geschehen. Eine Welle von Glück stieg in ihr hoch, sie sprang aus dem Bett, lief nach unten und spielte Chopins Polonaise auf dem Klavier - Tränen strömten ihr über die Wangen.
    Die Kinder folgten ihr und tanzten im Zimmer herum, während sie spielte.
    In einem anderen Land, in einem Schloß am Rhein, erwachte James und vermeinte in den letzten Sekunden seines Schlafs Kinderlachen und Musik gehört zu haben. Es blieb ihm im Ohr, während er sich wusch und rasierte, das heiße, gefärbte Wasser trank, das als Kaffee fungierte und die dicke, mit Schmalz beschmierte Brotscheibe aß. Es war der 10. November 1918, zehn Uhr morgens -obwohl er, außer daß es Spätherbst war, weder die Zeit noch das Datum wußte. Er blickte aus dem Fenster und sah einen großen Stabswagen, der mühsam den steilen Abhang zum Haupttor hinauffuhr.
    Zehn Minuten später rief der Kommandant ihn zu sich. Ein hoher Offizier wartete. Sie gingen in eins der kalten kleinen Büros, wo ein müde aussehender Mann saß, der sich als Walter Nicolai vorstellte.
    «Sie sind gekommen, um mir etwas zu sagen», verkündete James, bevor Nicolai den Mund öffnen konnte. «Werden Sie mich erschießen?»
    Nicolai hob schweigengebietend die Hand. «Nein, ich bin gekommen, Sie abzuholen. Wir müssen uns beeilen, zwei andere Passagiere sitzen im Wagen. Um elf Uhr morgen früh wird der Krieg zu Ende sein. Das weiß jedoch noch niemand. Ich meine damit die Bevölkerung - die deutsche wie die englische. Es ist alles vorbei, deshalb ist es wichtig, daß Sie morgen um elf Uhr nicht mehr in Deutschland sind. Morgen ist Waffenstillstand.»
    James fragte verwirrt: «Und wer hat gewonnen?»
    Nicolai sagte es ihm und fügte hinzu, daß er es besser fände, wenn Mr. Railton die zwei anderen Wageninsassen privat träfe, bevor sie sich auf den Weg machten. Einen Teil der Reise würden sie im Auto zurücklegen. «Danach habe ich ein Flugzeug bestellt, das Sie in die Schweiz fliegen wird. Entsprechende Nachrichten sind schon abgeschickt. Sie werden in Zürich erwartet.» Nicolai vermied es, ihn anzusehen, aber James hielt ihn am Ärmel zurück und fühlte, wie schwach er war, als er versuchte, den Mann aufzuhalten. Aber der blieb von sich aus stehen und blickte James endlich an.
    «Warum?» fragte James.
    Nicolai antwortete langsam: «Weil Sie unter besonderem Schutz standen. Ein Abkommen wurde getroffen. So, und jetzt hole ich die anderen.»
    James hatte nicht die geringste Idee, wer die anderen sein könnten. Er erkannte die Frau nicht wieder, die genauso abgemagert war wie er und schäbige, abgetragene Kleider trug. Ein kleines, vielleicht dreijähriges Mädchen lugte ängstlich hinter ihrem Rock hervor.
    Sie sahen sich aufmerksam an. Ein vages Erkennen glomm in beider

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