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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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Augen auf.
    «James?» Er erkannte ihre Stimme sofort wieder.
    «Marie?» Er konnte es fast nicht glauben. «Marie! Mein Gott, Marie!» Sie sanken sich beide weinend in die Arme.
    Das Kind begann auch zu weinen. Und James, der seine eigenen Kinder während seiner Gefangenschaft so sehr vermißt hatte, ließ Marie los, beugte sich hinunter und hob es auf. Er hielt den kleinen Körper dicht an sich gepreßt und murmelte Trostworte.
    Noch viele Jahre später erinnerte sich das Kind an dieses erste Zusammentreffen mit Onkel James. Er hatte so hager und traurig ausgesehen, mit vom Weinen geröteten Augen.
    «Deins?» fragte er die ebenfalls tränenüberströmte Marie über die Schulter des Kindes.
    Mit einem tieftraurigen und verzweifelten Blick schüttelte sie verneinend den Kopf. «Charles’ Kind von irgendeinem deutschen Mädchen, das er verhört hat. Das zumindest haben sie mir erzählt, aber es ist bei mir seit seiner Geburt.» Sie fing wieder zu schluchzen an. «Ich habe sie nach meiner Mutter Josephine genannt.»
    Nicolai stand an der Tür. «Sie sind verwandt, nicht wahr? Es freut mich zu sehen, daß Sie wieder vereint sind. Wir haben Sie gut behandelt und unser Bestes für Sie getan. Aber jetzt müssen wir gehen.»
    Sie rissen sich zusammen, nahmen Josephine in die Mitte und verließen den Raum wie eine zerlumpte Flüchtlingsfamilie.
    Im Hof verbeugte sich der Kommandant tief vor ihnen. Ein unglücklich aussehender Soldat stand neben dem Auto.
    Sie saßen körperlich und seelisch erschöpft auf den Rücksitzen und schenkten Nicolai, der sie gelegentlich auf Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte, keine Beachtung.
    Nach zwei Stunden hielten sie vor einem Gasthof. Nicolai verlangte zu essen und zu trinken. Der Wirt verbeugte sich tief, aber sagte, er habe nichts anzubieten. Dann holte er seine Frau, die anscheinend doch noch einige Eier vorrätig hatte und ihnen ein Omelett machte.
    Nicolai hatte endlich begriffen, daß sie ihn nicht in ihrer Nähe wollten, und setzte sich zusammen mit dem Chauffeur an einen anderen Tisch. Während sie aßen, fütterten sie abwechselnd Josephine.
    Und erst jetzt tauschten sie ihre Erlebnisse aus. Zuerst waren beide zurückhaltend. Marie berichtete, daß sie im Moment ihrer Ankunft in Berlin von ihrem Liebhaber getrennt worden sei. «Sie haben mich in eine Falle gelockt.» Sie flüsterte. «Ich war noch nie dem Selbstmord so nah.» Dann brach sie ab. Sie sprachen erst wieder über persönliche Dinge, als sie in der sicheren Schweiz waren.
    Am Nachmittag fuhren sie durch Karlsruhe. James war von dem Anblick, der sich ihnen bot, entsetzt. Verschmutzte, frierende Soldaten schlurften in unordentlichen Haufen vorbei. Später sagte James, er hätte erst in diesem Moment wirklich geglaubt, daß der Krieg vorbei war.
    Um vier Uhr fuhr der Wagen durch das Tor eines hohen Drahtzauns. Sie hatten während der letzten fünfzehn Minuten Fahrt bereits Flugzeuge gesehen. James war über ihre Größe erstaunt. Keines der kriegführenden Länder hatte solche Riesenapparate besessen, als er England verlassen hatte. Jetzt standen sie vor ihm in einer langen Reihe, drohend und massiv wie räuberische Insekten.
    Sie hielten vor dem Offizierskasino, bekamen den üblichen wäßrigen Kaffee zu trinken und wurden mit vier Männern, ihrer Flugbesatzung, bekannt gemacht.
    Nicolai schüttelte ihnen die Hand. «Ich hoffe, Sie verstehen, daß es in unserem Gewerbe gewisse Regeln gibt - Handelsabkommen. Manchmal ein Leben für ein Leben, oder ein Leben für Informationen, oder einen Tod für einen Tod. Die Bedingungen sind hart in unserem Gewerbe.»
    Um sechs Uhr landeten sie in Zürich. Ein pedantischer Vertreter der Botschaft begrüßte sie und sagte, sein Name sei Smythe-Gilbert. Es klang nicht sehr überzeugend. Sie würden ihre Reise mit dem Zug fortsetzen, aber man würde versuchen, es ihnen so bequem wie möglich zu machen.
    Sie hatten keine Zeit, sich auszuruhen, bekamen aber eine gute Mahlzeit vorgesetzt. Beide konnten nicht viel essen, Josephine gelang es jedoch, eine Menge der Speisen in ihr Haar zu schmieren.
    «Er mag uns nicht», sagte Marie, als Smythe-Gilbert sie kurz allein ließ. «Wir bringen ihn in Verlegenheit.» James erkannte, daß er in den letzten Stunden keinen klaren Gedanken gefaßt hatte. Jetzt kam ihm eine unvorausgesehene Möglichkeit in den Sinn. «Vielleicht bringen wir alle in Verlegenheit. Wir sind wie Tote, die plötzlich auferstanden sind.»
    «Du zumindest wirst ein Held

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