Eine ehrbare Familie
Stunden lang, überprüften den Motor und die Verspannungen. Dick hatte sich vom Hotel einen Picknickkorb mitgeben lassen und kündete an, er werde nach dem Mittagessen einige Runden fliegen.
«Nur um die Kiste in Übung zu halten. Wenn wir in der Luft sind, zeige ich Ihnen, was Sie zu tun haben, und dann können Sie allein fliegen.»
Es gab nur eine Möglichkeit, fliegen zu lernen: zuhören, zuschauen, möglichst viel abschauen und dann hinein und hinauf. James, mit dem grenzenlosen Selbstvertrauen der Jugend, war sicher, er würde es schaffen.
Sie warfen den Motor an, das Flugzeug rollte über das Gras und hob ab. Dick saß am Steuer. Fünfzehn Minuten später kam er zurück und steuerte auf James zu. Als der Motor abgestellt war und der Propeller sich nicht mehr drehte, sprang er hinaus. «Wollen Sie jetzt einen kleinen Rundflug machen?»
Dick borgte ihm seine Fliegerausrüstung, und James kletterte in den harten, kleinen Pilotensitz im Vorderteil des Flugzeugs. Dick erklärte ihm noch mal die Apparatur, das Leitwerk, Höhensteuer und Querruder und sagte ihm genau, wie stark er drosseln müsse und bei welchem Tempo er landen könne.
James’ Kehle war trocken, Schweiß stand ihm trotz der Kälte auf der Stirn, seine Handflächen waren feucht. Er hatte einen guten Ausblick nach vorn, so daß er den Steigwinkel leicht berechnen konnte. Er hörte Dick, der rief, ob er startbereit sei.
James hatte die Vibration und den Lärm nicht vorausgesehen. Er war sich dieser beiden Dinge am Boden zwar bewußt gewesen, aber jetzt, als er selbst am Steuer saß, gewann alles neue Perspektiven. Die Farman verwandelte sich von einem toten Objekt in ein lebendiges Wesen.
Er konzentrierte sich und steuerte voller Stolz das Flugzeug über das Feld, dann drehte er sich in Windrichtung und hielt das Höhensteuer zurück, um das Schwanzende am Boden zu halten.
Er öffnete leicht die Drosselklappe, verminderte die Tourenzahl und mußte sich anstrengen, um das Vorderteil des Flugzeugs in die richtige Position zu drehen. Endlich gelang ihm das, und er überblickte die weite Grasfläche mit den ungefähr zwei Meilen vor ihm liegenden Baumgruppen.
Er blickte um sich, wie die anderen Piloten es taten, um zu sehen, ob kein anderes Flugzeug in der Nähe oder über ihm war. Dann stieß er den Steuerknüppel nach vorn und gab Vollgas.
Der Lärm hinter ihm wurde lauter und irritierender, als die Maschine sich vorwärts bewegte. Zuerst spürte er die Bewegung kaum, dann versuchte das Flugzeug heftig nach links abzudrehen. Er korrigierte schnell die Steuerung und mußte noch stärker auf das Höhensteuer drücken, um das Schwanzende am Boden zu halten, während die Farman über das Gras holperte und erschreckend schnell an Geschwindigkeit gewann.
Alles schien zu verschwimmen mit zunehmendem Tempo, der Wind schlug ihm ins Gesicht, versuchte durch seinen Lederhelm zu dringen und durch seine Schutzbrille. Dann hörte der hintere Teil auf, hin- und herzuschwingen, und er raste geradeaus wie auf einer gezogenen Linie.
Jetzt! dachte er und löste leicht das Höhenruder, dann umschloß er mit festem Griff den Knüppel, als sich der hintere Teil der Farman erhob. Der Winkel der Maschine veränderte sich. Dann ein Holpern und andere Geräusche, der Wind pfiff durch die Drahtseile und die Holme, die Leinwand spannte sich, der Motor knatterte.
James merkte nicht, daß er laut auf das Flugzeug einredete, so wie er früher, als er reiten gelernt hatte, auf sein Pferd eingeredet hatte. «Halt fest. Zurück jetzt. Zurück!» Die Nase schien sich zu senken, und er brauchte seine ganze Kraft, um das Höhensteuer nach hinten zu ziehen. «Ruhig. Ruhig.» Die Räder und Kufen holperten über das unebene Gras.
Dann setzte plötzlich Stille ein. Kein Geholper von unten mehr, nur das Pfeifen des Windes über den Flügeln und durch die Drahtseile. Und dann: ein erhebendes Gefühl, das James niemals vergessen würde.
Es dauerte gute dreißig Sekunden, bis James begriff, daß die Maschine abgehoben hatte.
Die Farman mußte mindestens schon fünfhundert Meter gestiegen sein, ehe James sich so weit erholt hatte, die Maschine abzufangen. Er spürte nicht die Kälte und den Wind, er hörte nicht mehr den Lärm. Auf seinem luftigen Platz zwischen den Drahtseilen vermeinte er im Scheitelpunkt der Welt zu sitzen. Unter ihm dehnte sich die Landschaft bis zum Horizont aus, entrollte sich vor seinen Augen wie eine lebendige Relieflandkarte. Die Aufregung und das
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