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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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wenigen Tagen hatte sich James mit einigen Angestellten der Ballonfabrik angefreundet. Die Unterhaltungen mit ihnen waren eine wichtige Ergänzung zu dem Wissen, das er sich mit vielen einschlägigen Büchern angelesen hatte. Technisch gesehen wußte James alles über Flugzeuge, nur die Praxis fehlte ihm.
    Eines Morgens ging James über das Flugfeld auf einen großen Schuppen zu, wo, wie er wußte, Allicott Verdon Roe an seiner jüngsten Maschine arbeitete.
    Er hatte erst einige Schritte getan, als er ein ungewohntes Geräusch vernahm: James war stolz darauf, daß er die verschiedenen Motorengeräusche voneinander unterscheiden konnte, doch dieses Geräusch war ihm neu. Es klang sanft und stetig wie Bienengesumme und kam aus Süden. Er drehte sich um und sah in die Richtung.
    Das Flugzeug flog mit leicht erhobener Rumpfspitze dicht über den Bäumen und setzte zum Landen an. Es war eine schöne, kastenartige Maschine, bestens ausgerüstet, mit rückwärtigem Antriebspropeller. Lange, dreieckige Verspannungen hielten das Höhensteuer weit vor den Flügeln, während das offene Gestell zu zwei eingeschalten Steuerrudern zurückschwang. Ein Paar Gleitkufen wie Skier hingen herunter, an jeder waren ungewöhnlich kleine Räder befestigt, während ein anderes Paar winzige Räder hinten am kastenartigen Schwanz zu sehen war.
    «Eine Farman!» sagte James laut, als er die Formen des Flugzeugs genau erkennen konnte. Ein Farman-Doppeldecker hatte den Preis für die längste Strecke letztes Jahr bei Issy gewonnen. Er beobachtete fasziniert, wie das Flugzeug graziös in Schräglage ging und an Höhe verlor. Der Pilot war jetzt deutlich zu sehen, dem eiskalten Wind und jedem Wetter schutzlos ausgesetzt, während der Propeller hinter ihm schwirrte.
    Der Motor erstarb langsam, als das Flugzeug auf dem Gras aufsetzte, sich drehte und keine hundert Meter von James entfernt zum Halten kam.
    Der Pilot trug einen Helm, eine Schutzbrille und einen langen Ledermantel, so daß James weder seine Züge noch sein Alter ausmachen konnte. Als der Pilot hinunterstieg, war James erstaunt, daß er mit einem unverkennbaren amerikanischen Akzent sprach, denn die Farman war ein französisches Flugzeug.
    «Wo finde ich den Oberboß hier, Junge?»
    James fragte, ob er den Direktor der Ballonfabrik meinte oder einen Beamten.
    «Schätze, den Kommandanten. Ich bin sozusagen hier in Militärgeschäften. Sind Sie Flieger?»
    «Ja», log James. «Ich bin hier in Ferien, bevor ich nach Sandhurst gehe.»
    «Nun, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, dann halten Sie mal den Kasten im Auge, bis ich rausfinde, ob man mich erwartet.»
    James sagte, er würde gerne auf die Farman aufpassen und ob er auf den Pilotensitz klettern dürfe, um sich die Steuerung anzusehen?
    «Ja, warum nicht?» Der Amerikaner streckte ihm die Hand hin.
    «Mein Name ist Farthing. Richard - meine Freunde nennen mich Dick.»
    «Railton. James Railton.»
    Der Amerikaner nickte kurz, und James sah ihm nach, als er davonging - ein großer, muskulöser Mann. Ungefähr zehn Jahre älter als ich, dachte James. Auch war ihm ein lustiges Funkeln in seinen Augen aufgefallen, so als betrachte der Amerikaner die Welt und das Leben als einen gelungenen Scherz, den man nicht zu ernst nehmen dürfe.
    James kletterte in die Farman - eine Farman III vermutete er -, setzte sich auf den Pilotensitz und prüfte, welche Hebel das Leitwerk, die Querruder und das Höhensteuer in Gang setzten. Der Mechanismus war denkbar einfach: starkes, verschraubtes Holz, Räder und Flügel, von denen aus Drahtseile zu den verschiedenen Klappflächen führten.
    Er vergaß die Kälte und die Uhrzeit, sogar der Boden verschwand, als er in Tagträume fiel. Er wußte genau, was ein Pilot in der Luft zu tun hatte. Was ihm fehlte, war die Praxis. Auch die größte Phantasie konnte die Wirklichkeit nicht ersetzen. Wenn er doch nur einmal aus einer Höhe von mehreren hundert Metern von oben auf die Erde hinabsehen könnte, den Wind spüren, den Horizont sich neigen sehen, sich frei fühlen, die Wolken mit der Hand berühren könnte... nur einmal!
    Die Stimme des Amerikaners riß ihn jäh aus seiner Träumerei. «James! Kommen Sie herunter?»
    Dick Farthing stand unter dem Flügel und grinste ihn an.
    «Ich habe nur gedacht, wie toll es wäre, wenn ich einmal...» Er kletterte hinunter.
    «Das wird sich machen lassen. Aber zuerst brauche ich Ihre Hilfe. Ich weiß nicht, wo ich Unterkommen kann. Kennen Sie irgendein nettes

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