Eine ehrbare Familie
berauschende Erlebnis ließen ihn fast vergessen, den Motor zu drosseln.
Langsam verlor die Maschine an Höhe. Er betätigte die Querruder und das Leitwerk, brachte die Maschine in Schräglage und kurvte nach links. Der linke Flügel senkte sich beängstigend, einen Augenblick lang dachte er, das ganze Flugzeug würde aus dem Himmel fallen und ihn am Boden unter sich begraben. Das andere Querruder! Die Flügel blieben schräg, die Erde neigte sich. Ein leichter Druck auf das Höhensteuer. «Bravo, alter Bursche. Und jetzt ziehen wir eine Runde.»
Die Farman war wieder im Gleichgewicht. Und James konnte es kaum glauben, daß er flog, daß das Flugzeug ihm gehorchte, tat, was er wollte, genau wie es in den Büchern beschrieben war.
Die sanfte Kurve brachte ihn auf die Südseite des Felds auf den entgegengesetzten Kurs, den er beim Abflug genommen hatte.
Er flog in ungefähr vierhundert Meter Höhe, vermutete er, und die Sicht auf die Baracken, Menschen und das Gelände kam ihm so unwirklich vor, daß er plötzlich wild begeistert schrie: «Ich fliege! Ich fliege.»
Als er ungefähr anderthalb Meilen über das Feld hinausgeflogen war, legte sich James sanft in die nächste Kurve und beschrieb einen großen Halbkreis. Zuerst kreuzte er den Wind, dann flog er mit dem Wind, so daß er die Maschine ständig regulieren mußte. Merkwürdig, dachte er, auf dem Boden war es fast windstill gewesen, während hier oben der Wind so stark war, daß er das Flugzeug mal in die Höhe schleuderte, mal nach unten drückte, so daß James dauernd Leitwerk, Querruder, Höhensteuer und Drosselung betätigen mußte.
Er mußte sich jede Sekunde aufs äußerste konzentrieren, aber die Begeisterung zu fliegen wurde dadurch nicht vermindert. Voller Stolz stellte er fest, daß er direkt auf das Feld zusteuerte, drosselte den Motor und korrigierte das Höhensteuer. Die Maschine glitt sanft dem Boden entgegen.
Er war ungefähr bis auf hundertfünfzig Meter heruntergekommen, als er feststellte, daß er zu niedrig flog und ständig an Höhe verlor. Die hohe Hecke, die das Flugfeld umsäumte, kam ihm erschreckend schnell entgegen.
Er brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was geschah, dann packte ihn panische Angst. Er versuchte, die Maschine wieder hochzuziehen, aber sie schien einen eigenen Willen entwickelt zu haben. Ihr Vorderteil hatte sich so tief gesenkt, daß sie auf dem Leitwerk zu stehen schien.
Der Lärm war ohrenbetäubend, und er wurde auf dem harten Sitz hin- und hergestoßen. Und nun hörte er das Aufheulen des Motors, als der Propeller verzweifelt versuchte, sich in der Luft festzukrallen. Dann kam ein furchtbares dumpfes Geräusch, die Farman entglitt seiner Kontrolle und fing an zu taumeln.
Der hintere Teil schlug zuerst auf, die Holme brachen. James hatte gerade noch Zeit genug, die Drosselklappe und den Benzinhahn zu schließen. Er hörte, wie der eine Flügel abriß, und das schauerliche Geräusch des Propellers, der sich in die Erde malmte.
Dann verlor er das Bewußtsein.
Als er zu sich kam, lag er auf dem Boden des Schuppens, Dick Farthing beugte sich über ihn und rief seinen Namen.
Er hörte seine eigene körperlose Stimme sagen: «Verzeih mir, Dick.» Dann kehrte langsam Leben in seinen Körper zurück. Er versuchte vorsichtig, seine Glieder zu bewegen. Es gelang. Er hatte sich nichts gebrochen, aber das Flugzeug war in Trümmern. Er hörte nicht auf, sich bei Dick zu entschuldigen. Er konnte nur noch an den Haufen Holz, Metall und Leinwand denken, der eben noch eine schöne Farman gewesen war und nun eine Ruine, unreparierbar - und das alles durch seine Schuld. Zum ersten Mal seit vielen Jahren standen James die Tränen in den Augen.
Man hatte nach einem Arzt geschickt, und unglücklicherweise kam Martin Savorys Vater, der ihn sofort mit nach Hause nahm.
Er hatte ein paar Schnittwunden und Quetschungen abbekommen und war reichlich durcheinander. Doch dies hielt Doktor Savory nicht davon ab, ihn genau nach den «Streifzügen» und dem Verbleib seines Sohns auszufragen. Doktor Savory war durchaus nicht unfreundlich zu ihm, aber James dachte bei sich, daß er nicht gern in Martins Schuhen stecken würde.
Zu James’ Verwunderung war sein eigener Vater mehr irritiert als ärgerlich. Aber am meisten erstaunte ihn, daß John Railton ähnlich wie der General reagierte. Er schien James’ Wunsch zu fliegen durchaus zu verstehen. «Wenn du unbedingt mit Flugzeugen herumspielen willst, bevor du nach Sandhurst gehst,
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